EWTO

Neuer Magister-Studiengang startete in Nessebar

Bereits zum wiederholten Mal seit 2004 und 2012 – Start der ersten beiden Studiengänge der EWTO bis zum Magister in Bulgarien – fand sich eine Gruppe von lernwilligen EWTO-Mitgliedern in Bulgarien am Schwarzen Meer zum Erreichen eines akademischen Grades ein. Dieses Mal ging es nach Nessebar – wie vor vier Jahren, um an der Sportpädagogischen Fakultät der Universität Plovdiv den Magister/Master in Kampfkunst mit Spezialisierung WingTsun zu erlangen.

Viele bekannte Gesichter aus dem vorangegangenen Bachelor-Studium an der Universität Derby/Buxton in England, aber auch einige neue Studenten trafen sich im Saal des neuen Rathauses, in dem sonst der Stadtrat von Nessebar seine Sitzungen abhält – perfekt ausgestattet für den akademischen Anspruch.

Die erste von vier Präsenzwochen wurde von Prof. Dr. Margaritov unterhaltsam mit „Theorie und Methodik des Sports“ eröffnet. Die Studenten bekamen einen sehr guten Einblick in die verschiedenen Prozesse des Bewegens bzw. zur Ausführung von Übungen, viele Impulse, wie ein dementsprechend begleitender Unterrichtsprozess aussehen sollte und darüber hinaus verschiedene Untersuchungs- und Beobachtungsmethoden vorgestellt, die in der Theorie der Leibeserziehung angewandt werden.

Nachmittags erläuterte Prof. Dr. K.R. Kernspecht in idyllischer Atmosphäre mit Blick aufs Schwarze Meer einen Teil der Theorie des Inneren WingTsun. Studieren, Bewegen und fantastisches Klima mit toller Aussicht? Läuft!

Begleitet wurden die Studenten dabei auch noch von einer Delegation bulgarischer EWTO-Schüler, die sich diese Gelegenheit natürlich nicht entgehen lassen wollten, um vom Großmeister direkt lernen zu können.

Am folgenden Tag erläuterte Prof. Kaikov – neben einer allgemeinen Einführung in die Psychologie – die Grundlagen der psychophysischen Vorbereitung, wie diese in Extremsituationen wirkt. Gerade für Menschen die Kampfkunst und Selbstverteidigung praktizieren ist dies sehr relevant! Er erläuterte sogar Praktiken, wie man diese erlernen kann. Konsequenterweise bestand die Hausarbeit für den Kursus aus einer Mischung aus Theorie und Praxis, in der die Studenten u.a. ihre eigenen Emotionen analysieren, bewerten und regulieren sollen: praktische Psychologie, wie sie wohl noch kein Teilnehmer bisher kennen lernte. Alle Studenten waren von seinem Vortrag begeistert.

Prof. Dr. Kernspecht vertiefte am Nachmittag abermals die Theorie des Inneren WingTsun mit besonderem Augenmerk auf Solo-Übungen, die von Natalie hervorragend vorgeführt und erklärt wurden.

Der dritte Tag wartete mit einem weiteren Highlight auf: Prof. Linkov präsentierte auf Englisch eine spannende Vorlesung über Ethik und Pädagogik, wobei er die theoretischen Teile recht zügig abhandelte. Diese übertrug er vor allem zum Nacharbeiten an die Studenten.

Stattdessen stieg er bald in eine überwältigende Diskussion mit den Studenten ein, in der er ihnen praxisnah verschiedene Dilemmata vorstellte und es immer wieder schaffte, die offensichtlich klare Antwort in Frage zu stellen. Er schreckte dabei auch nicht davor zurück, künstlerisch aktiv zu werden und Beispiele anzuzeichnen oder schauspielartig vorzuführen – und weckte damit die Begeisterung der Teilnehmer. Am Ende schaffte er den Übergang der Ethik zu den Aufgaben eines guten Pädagogen, wodurch er für einige neue Horizonte erschloss.

Prof. Dr. Kernspecht spielte nachmittags einen seiner Trümpfe aus und vermittelte den Studenten einen tiefen Einblick in die Strategie des Inneren WingTsun.

Die beiden letzten Vorlesungstage der Präsenzwoche gehörten Prof. Margaritova und dem wichtigen Thema „Statistik“. Ein vielleicht nicht ganz so spannender, dafür aber umso wichtigerer Stoff für unsere Akademiker, da die wissenschaftliche Sicherung von Daten erst Aussagen über Phänomene zulässt und ein Hauptbestandteil für die Magisterarbeit sein wird.

Durch anschauliche Beispiele aus dem WingTsun-Unterricht konnte aber selbst das Erheben von Daten praxisnah und damit verständlich vermittelt werden.

Nach den Vorlesungen fanden dann wie gewohnt die praktischen Einheiten statt. Am letzten Tag sogar drei Stunden, die von den Großmeistern König und Schembri und Meister Groß mit klassischen Programmen eröffnet wurden, bevor Großmeister Kernspecht dann übernahm und das Innere WingTsun vermehrt praktisch üben ließ. Seine theoretischen Ausführungen rundeten an jedem Tag die akademischen Ansprüche des Studiums ab.

Mit einem gemeinsamen großen Abendessen und einer Abschlussparty auf einem am Ufer vertäuten Boot ging die Präsenzwoche dann gebührend zu Ende.

Vielen Dank an Frau Ivanka Taneva vom Lehrstuhl für Deutsche Philologie, die großartig simultan übersetzte.

Sie hatte sich sogar die Mühe gemacht und ein kleines deutsch-bulgarisches Wörterbuch des Sportunterrichts und des Sports geschrieben, nachdem die Berührungspunkte zwischen der EWTO und der Universität in Plovdiv in den letzten Jahren immer intensiver wurden. Großartig!

 

In angenehmer sonniger Affäre erhielten wir noch ein Interview und zwei Statements als Feedback, die wir euch nicht vorenthalten wollen:
 

Interview mit GM Dr. Oliver König

Bist du mit der Entwicklung des Studienprogramms der EWTO allgemein zufrieden?

Die Zusammenarbeit mit der Staatsuniversität Plovdiv geht auf das Jahr 1995 zurück. Sie war damals eine der wenigen Universitäten, die sich ernsthaft mit asiatischen Kampfkünsten beschäftigte. Nachdem wir dort schon mehrere Studiengänge mit Studenten der EWTO absolviert haben, einmal Bachelor, dreimal Magister und mehrere Promotionen, ist dies nun das erste Semester eines weiteren Magister-Studiengangs. Wir haben also eine sehr positive Bilanz vorzuweisen und sind wohl der einzige Verband, der seinen Mitgliedern akademische Studiengänge in Zusammenarbeit mit renommierten Universitäten bieten kann.

Wie findest du Nessebar als Studienort und die Organisation vor Ort?

Nessebar, speziell die Altstadt, hat eine wunderbare Atmosphäre. Die Studienwoche dort zu veranstalten, war eine gute Idee. So sehen die Studenten auch die schönen Seiten von Bulgarien, lernen das bulgarische Essen und die Kultur kennen.

Die Organisation des Studiums unter der Leitung von Prof. Veselin Margaritov war wieder einmal ausgezeichnet. Der moderne Lehrsaal, die eingesetzten Professoren, die Lehrpläne, die ausgezeichnete Übersetzung: Alles hat sehr gut funktioniert.

Gibt es schon eine Aussicht, wie es mit den Studiengängen in Zusammenarbeit mit der EWTO weitergeht?

Wenn dieser Studiengang abgeschlossen ist, denken wir darüber nach, wieder einen Bachelor-Studiengang zu veranstalten. Das hängt aber maßgeblich von der Anzahl der Interessenten ab.
 

Statement Jürgen Pahle

In der ersten Präsenzwoche ging es um grundlegende Themen wie Sportwissenschaft, Psychologie, Ethik/Pädagogik und Statistik, wobei mein bisheriges persönliches Highlight der Kursus über Ethik und Pädagogik von Prof. Dr. Linkov am Donnerstag war.

Das Thema ist zwar ein Zusatzfach. Ich finde es aber wichtig, dass wir – als Multiplikatoren – uns Gedanken machen, welchen ethischen Rahmen wir unseren Schülern bzw. auch unseren Kindern eigentlich vermitteln wollen.Prof. Linkovs Vortrag war humorvoll, teilweise provozierend und immer fundiert. So hat er es sehr gut verstanden, uns zum eigenen Nachdenken über Ethik anzuregen.

Es ist natürlich utopisch anzunehmen, dass man alle Themen innerhalb der Präsenzwoche erschöpfend behandeln kann. Daher werden wir uns selbst noch im Selbststudium in die Themen einarbeiten müssen, um die gestellten Aufgaben und Hausarbeiten erfolgreich bearbeiten zu können.

Jeden Nachmittag gab es praktischen Unterricht bei GM Prof. Kernspecht unter freiem Himmel. Wie zurzeit gewohnt, ging es dabei um das innere WingTsun. SiFu erklärte sehr ausführlich die Details der Strategie des Inneren WingTsun und auch die biomechanischen Gründe, warum unser Bewegen so und nicht anders sein sollte.

Das Ganze an einem Veranstaltungsort, der geschickt ausgewählt wurde. Nessebar war gut per Flug zu erreichen und bietet für jeden etwas: schöne Strände, grüne Parks zum Trainieren im Schatten und eine wunderschöne Altstadt, die in der Liste der UNESCO-Weltkulturstätten zu finden ist. Top!
 

Statement Panagiotis Kostopulos

Hier meine ersten Eindrücke vom Magister-Studium in Bulgarien: Von den bulgarischen Dozenten bin ich sehr positiv angetan: mit ihrer Fachkompetenz in den jeweiligen Bereichen und ihrer professionellen und offenen Art, mit uns als Studenten umzugehen. Es war quasi ein Unterricht auf Augenhöhe.

Zu den Dozenten selbst: Es sind Leute, die Praxiserfahrung mitbringen. Sehr beeindruckt hat mich persönlich Prof. Kaikov, dem man schon an seiner Art anmerkte, dass er das, wovon er spricht, auch schon angewandt hatte.

Die Organisation des Studiums wirkt strukturiert und wir, vor allem ich, freuen uns auf die nächste Präsenzwoche, in der wir noch intensiver mit Prof. Kernspecht arbeiten werden.“
 

Text: Dominique Brizin
Fotos: Dominique Brizin/hm