Editorial

Vom Tweet zum Editorial

Einem Tweet von GM_Kernspecht folgt eine Frage und schon entwickelt sich ein interessanter Gedankenfaden, der das Zeug hat, zu einem Editorial zu werden:

„Die höchste Optimierung einer Kampfkunst ist ihre Verwandlung in einen inneren Weg. Das gilt in jeder Hinsicht!“, schrieb ich.

„Wie kann oder muss man sich das in wenigen Worten vorstellen …?“, wollten meine „Follower“ wissen. Also antwortete ich ohne viel Nachdenken mit acht Tweets, die ich hier für Euch etwas ergänze:

1. Die Unterschiede zwischen dem üblichen äußeren Wing Tsun
    (egal welcher Schreibweise) und einem INNEREN WT sind mannigfaltig.

2. Die Unterschiede haben weniger mit den sog. „Techniken“ zu tun.

Das heißt nicht nur, dass keine weiteren „Techniken“, als das äußere Wing Tsun, Wing Chun, Ving Tsun zu bieten hat, hinzukommen, sondern dass es gar nicht mehr um „Techniken“ geht, sondern nur noch um Prinzipien.

3. Geist vor Körper. Achtsamkeit vor Instinkten, Reflexen und
    automatischen Drills.

Das innere WingTsun, so wie ich es im Auge habe, orientiert sich am Chan-Buddhismus. Unser Geist, unsere Achtsamkeit übernimmt die Führung. Wir schauen und fühlen genau hin, was wirklich Sache ist. Wir erkennen, was anliegt, und handeln aus frischer Erkenntnis. Wir benutzen keine Konserventechniken, die früher einmal in einer ähnlichen Situation geholfen haben. Wir verlassen uns nicht auf Reflexe.

4. Aufbau einer Körperstruktur statt Entwicklung von brachialen Kräften.

Wir entwickeln eine Körperstruktur, die es uns erlaubt, jederzeit den Gegner wegzustoßen oder heranzuziehen. Und das, ohne unser Gleichgewicht zu verlieren. Und wenn wir mit aller Kraft stoßen oder ziehen, kommt diese Kraft nicht aus den Armen und der Schulter, sondern aus den vereinten (natürlichen!) Stoß- bzw. Ziehmuskeln.

5. Biomechanisch und energetisch effizientes Bewegen statt
    primitiver Muskeleinsatz.

Unser Kampfbewegen folgt nicht nur den Gesetzen der Biomechanik, sondern auch den uralten chinesischen Energie-Regeln, die oft paradox anmuten.

6. Kämpfen, ohne sich in Wut steigern zu müssen.

Wir haben erkannt, dass man besser kämpft, wenn man gelassen bleibt, als wenn man sich in blinde Rage steigert. Um diese Gelassenheit zu erreichen, orientieren wir uns an Prof. Horst Tiwalds Werk „Psychotraining für WingTsun“.

7. Einheit des gesamten Körpers, aber auch die Fähigkeit des Trennens.

Die Einheit des ganzen Körpers zu erreichen, ist die eine Hälfte der Arbeit. Die andere ist die bewusste Entspannung von Körperteilen, wenn es taktisch sinnvoll ist – z.B. um sich vom Gegner zu trennen.

8. Mit minimalen Veränderungen sind die Kampfbewegungen als
    Chi Kung zur Gesunderhaltung einsetzbar bzw. vice versa!

Inneres WingTsun muss zur Verteidigung der eigenen Gesundheit und zur Verteidigung gegen den Gegner dienen. Erst entwickelt man den Gesundheits- und Kräftigungsteil, danach wendet man sich einem Gegner zu.

Im Prozess einer solchen Wandlung oder Optimierung befindet sich die EWTO seit vielen Jahren. Die Meister mehr und die Schülergrade weniger.


Euer SiFu/SiGung
Keith R. Kernspecht