Editorial

Warum „Inneres“ WingTsun?

Manche wollen wissen, warum ich mein WT als ein „inneres“ bezeichne.
Ich bin mir wohl bewusst, dass manche ganz verschiedene Annahmen darüber bestehen, was in der Kampfkunst „inneres“ bedeutet.

Hier alle Begründungen aufzulisten, sprengt den Rahmen dieses kleinen Editorials.
Nur so viel: Ich nenne mein WT nicht z.B. deshalb „Inneres“ WT, weil ich vorgeben will, mit übermenschlichen, geheimnisvollen Kräften zu arbeiten.

Mit „inneres“ bezeichne ich die Art meines Unterrichtens und die Reihenfolge.
Innen und außen sind ja nicht wirkliche Gegensätze. Beide sind nötig und bilden zusammen ein Ganzes.
Mein persönlicher Unterricht beginnt innen und geht von innen nach außen.

Damit will ich darauf hinweisen, dass ich nicht „wirklich“ mit den Bewegungen des Körpers beginne, sondern mit den Bewegungen der Achtsamkeit.

Aber auch dazu ist immer die Bewegung des Körpers nötig, denn was soll meine Achtsamkeit denn sonst beachten.
Ich könnte mit der Beachtung der Atmung beginnen. Im WT beginne ich mit der Beachtung der Muskelgefühle bei dem einfachen 3. Satz der SiuNimTau-Form.

Kann ich bzw. mein Schüler das, dann gehe ich zu gewandten Rumpfbewegungen über. Zu solchen, die uns als Menschen grundsätzlich seit Jahrmillionen vertraut sind. Dann sind es diese Gewandtheitsbewegungen, an denen sich die Achtsamkeit übt, indem sie Variationen erkennt und immer mehr zur Funktion durchdringt.
Wer diesen Gedanken nicht gleich folgen kann oder den Sinn und Vorteil hinter so einem von der Achtsamkeit geführten Training nicht auf Anhieb versteht, dem ergeht es wie mir früher.

Wenn es nicht um Sport, sondern um Leben und Tod geht, ist ein Training, in dem die Achtsamkeit führt, die Methode der Wahl.
Ich spreche hier nicht von der „Achtsamkeit“, die hauptsächlich mit Mitleid, Nachhaltigkeit, Menschenliebe in Verbindung gebracht wird. Auch dieses ist wünschenswert, aber nicht die Samurai-artige Achtsamkeit, die ich hier meine.

Wenn man meinem Freund, dem Waffen-Großmeister Bill Newman beim Kämpfen in die wachen Augen schauen würde, müsste er nicht erklären, was er tut:
„Ich unterrichte gar nicht wirklich das Schwert, ich lehre Achtsamkeit!“

Euer SiFu/SiGung
Keith R. Kernspecht