ChiKung

Beweglichkeit – natürlich bewusst erreichen

Stellen wir uns ein Tier wie einen Panther oder Leoparden in seiner natürlichen Umgebung vor. Es bewegt sich geschmeidig, scheinbar mühelos und doch kraftvoll – bewundernswert. Ganz anders sieht leider für viele Menschen der Alltag aus: Sie leiden unter Bewegungseinschränkungen, Energielosigkeit oder gar Schmerzen bei Bewegungen.

Der Panther versinnbildlicht in diesem Vergleich das, was wir im EWTO-ChiKung im körperlichen Sinne als Beweglichkeit erreichen wollen. Dabei geht es nicht darum, akrobatische Hypermobilität zu erzwingen. Wir wollen vielmehr den natürlichen Bewegungsradius nach individuellen körperlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Insbesondere wollen wir uns leicht, ohne Anstrengung bewegen („Leicht ist richtig“). Dabei wird Widerständen nicht entgegen gearbeitet. Soweit Verkürzungen, muskuläre Ungleichgewichte oder Blockaden Bewegungen entgegenstehen, wollen wir diese aufheben, um locker zu werden. Wir wollen uns nach dem Motto „Mache Dich frei von Deiner eigenen Kraft“ bewegen. So können wir unsere Energie bewahren und auf das richten, was uns wirklich wichtig ist.
Aber welcher Weg führt uns zu dem erstrebten Ziel einer solchen Beweglichkeit?

Ein Bewusstsein für Bewegung schaffen

Der erste Schritt ist, sich selbst zu erkennen. Wir schaffen ein Bild über den Ist-Zustand der Ausführung einer Bewegung. Wir fragen uns: „Wie läuft diese im Einzelnen ab? Welche Muskeln fördern die Bewegung? Welche stehen ihr als Antagonisten entgegen?“ Nur wenn unserem Körper der Ablauf der Bewegung klar ist, können wir diese auch optimal ausführen.
„Wenn wir wissen, was wir tun, können wir tun, was wir wollen“ (Moshe Feldenkrais).

Das bedeutet andererseits nicht, dass wir mit unserem bewussten Denken in jedem Moment steuernd eingreifen, also den konkreten Befehl geben müssen, einen bestimmten Strang des Muskels XY zu aktivieren. Versuche, Robotern geschmeidige Bewegungen wie das Laufen auf zwei Beinen beizubringen, haben gezeigt, dass die Steuerung der Abläufe in der erforderlichen Kürze der Zeit selbst die Rechenkapazität moderner Computer an ihre Grenzen bringt. Unser Unbewusstes (teilweise auch wertend „Unter“bewusstsein genannt) kann jedoch mit etwas Übung in fantastischer Weise das schaffen, woran die Maschinen scheitern.

Unser Hilfsmittel im EWTO-ChiKung-Unterricht sind dazu die Übungen der Sensomotorik. In diesen finden eine Verknüpfung der Stärkung der Eigenwahrnehmung unseres Bewegungsapparates einerseits und die Steuerungsfähigkeit der Bewegung andererseits statt.

Stets neue Anreize setzen

Wenn der Ablauf und Status quo klar sind, bauen wir als zweiten Schritt zu besserer Beweglichkeit die Ansteuerungsfähigkeit aus. Indem wir Bewegungen mit (neuem) Bewusstsein ausführen, können wir nach und nach bestehende Einschränkungen aufheben.

Wichtig ist dabei zu wissen, dass der Körper gegenüber gleich bleibenden Reizen abstumpft. Deswegen kann ein dauerhafter Erfolg nur dadurch erreicht werden, dass wir unserem Körper immer wieder neue Anreize geben. Dagegen führt vielfaches rein mechanisch exaktes Wiederholen dazu, dass nur noch ein Programm abgespult, der Mensch „roboterisiert“ wird. Dies spricht gegen stets gleich bleibende Übungsabläufe, die bildlich gesprochen nur ein anderes Korsett für unseren Körper bilden, also eine bestehende muskuläre Einschränkung durch eine andere (mental vorgegebene) Beschränkung ersetzen. Stellen wir unserem Körper dagegen immer wieder neue Winkel und Positionen als Aufgabe, bleibt eine stetige Herausforderung, die zu immer neuem Fortschritt führt.
Deswegen geben wir im EWTO-ChiKung-Unterricht, besonders auch in dem Übungsteil der Formen, immer wieder neue Impulse und nehmen bewusst Abstand von stets gleichen Abläufen.

Geistig flexibel werden

Stetige Veränderung führt zu einem immer wieder „Neu-Überdenken“, „Anders-Denken“ – und damit zu einer Neuerschaffung des Selbst, mit anderen Worten zu persönlicher Weiterentwicklung. Geistige Flexibilität gehört somit unabdingbar zu wahrer Beweglichkeit. Der noch in der Angst vor Veränderung und Unsicherheit gefangene Handelnde ist geneigt, einen sein Handeln behindernden Widerstand als etwas von ihm Getrenntes, äußerlich Vorgegebenes aufzufassen. Indem wir unsere Fähigkeit vervollkommnen, flexibel auf Einflüsse einzugehen und dabei unser eigentliches Ziel im Sinn zu behalten, lösen wir uns gleichzeitig von diesen Ängsten. Durch das Loslassen hören wir auf, uns selbst unter Druck zu setzen und können „frei“ werden. Ein Weg dies zu erreichen, führt über die Partner-Fühlübungen des EWTO-ChiKung, die sozusagen ein „auf den ganzen Körper ausgeweitetes ChiSao“ darstellen, das ich als „ChiShen“ bezeichnen möchte.

In diesem Sinne: Lassen wir uns ein auf das Abenteuer neuer körperlicher und geistiger Beweglichkeit und entdecken wir unsere wahren Möglichkeiten!

Text: Petra Weipert
Foto: Fotolia/Jerome