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Dem Motivationsloch keine Chance! - Teil 2

Im zweiten Teil unseres Motivationsartikels gehen wir darauf ein, wie Ausbilder aber auch Mitschüler einen Abfall der Motivation bei Mitschülern erkennen können und wie diese Effekte aufgefangen werden können.

Die Motivation anderer ist wohl eines der meistdiskutierten Themen der Psychologie. Viele – teils selbsternannte – Experten bieten Schulungen an, schreiben Bücher oder werden Berater in der Wirtschaft. Dass Motivation anderer in Abhängigkeitsverhältnissen funktioniert oder wenigstens der Anschein einer Funktion besteht, steht außer Frage. Wer den ersten Teil dieses Artikels gelesen hat, bekam vielleicht einige Denkanstöße wie Motivationslöcher erkannt und überstanden werden können. Das wiederum hat einen großen Einfluss darauf, inwieweit man ein Motivationsdefizit bei anderen erkennen und ihnen helfen kann. Dabei darf man eines niemals vergessen: das Training ist freiwillig, jeder kann frei entscheiden, wie viel Energie und Zeit er oder sie auf das Training verwendet. Bei zuviel Druck kann leicht das Gegenteil der erhofften Wirkung erzielt werden: Rückzug und Demotivation.

Ausbilder müssen – neben dem Training – sehr genau darauf achten, wie Schüler auf Aufgaben reagieren, wie diese mit Lob oder Zurechtweisung umgehen. Sei es ein Spruch von einem Schüler, der sich darüber aufregt, dass der erste Satz der Siu Nim Tauo mehrfach geübt wird (wo doch Formen bei seinem Freund, der Kickboxen macht, unwichtig sind und nicht trainiert werden) oder das Zurückziehen und unmotivierte Mittrainieren, all diese Merkmale haben bei Nichtbeachtung eine negative Wirkung. Der Schüler zieht andere mit herunter und fungiert als Multiplikator schlechter Stimmung.

Als einen der wichtigsten Faktoren für die Motivation anderer definiert die Sozialwissenschaftlerin Dr. Marianne Vollmer in ihrem Buch „Mut und Integrität“ den Mut. Dabei in unserem Fall nicht der Mut gemeint, keinem Kampf aus dem Wege zu gehen, sondern Mut, sich eigene Schwächen selbst einzugestehen und das Gespräch zu suchen mit Menschen, die man motivieren will. Natürlich ist ein Ausbilder immer ein Vorbild: technisch exzellent, didaktisch geschult und im besten Fall auch eine Person, mit der man über Probleme sprechen kann. Zu dieser Vorbildfunktion gehört aber auch, dass man sich nicht abhebt und „von dort oben“ die Schüler anleitet. Bei aller Stärke darf der Mut nicht fehlen zuzugeben: okay, hier habe ich wohl nicht richtig reagiert.

Feine Antennen zur Aufnahme von Anzeichen unmotivierter Schüler bilden sich nicht an einem Tag aus. Man muss nach jedem Training praktisch in sich hineinhören, das Training Revue passieren lassen und sehen, was verbesserbar ist. Dazu gehört das Hineinversetzen in Schüler, die besonders auffallen und das Suchen des Gesprächs. Motivation ist dabei nicht gleichzusetzen mit Gehorsam, wie es gern beim Militär praktiziert wird.

Am Ende zählt nur, dass der Angesprochene versteht, warum er etwas tut und was es bringt. Zieldefinition wie in der Wirtschaft ist ein probates Mittel, ohne dabei Druck auszuüben. Natürlich ist das Erreichen des nächsten Schülergrads, die Ausbilderprüfung etc. wichtig für die persönliche Entwicklung, dazu gehört aber auch, dass der Schüler schon innerlich vorbereitet ist.

Das Erkennen von Unmut und resultierender Demotivation ist nicht einfach und muss gelernt werden. Vergessen werden darf nicht, dass unter Umständen nicht jeder Schüler gleich viel Zeit für das Training aufwenden kann, weil er in der Ausbildung gefordert wird, er viel Arbeit oder Familie hat. Dies kann man im persönlichen Gespräch erkennen und klarstellen. Einige Punkte, die beim Überdenken von Trainingsstunden als Eckpfeiler zum Erkennen von Demotivation genutzt werden können:

- Beschwerdehaltung: ein Schüler protestiert und testet aus, wie weit er sich gegen einzelne Übungen oder Übungsabschnitte zur Wehr setzen kann, diskutiert viel und versucht nur, schlechte Eigenschaften einer Übung in den Vordergrund zu stellen. Neben der störenden Wirkung auf das Trainingsgeschehen hat dies negative Folgen auf die gesamte Gruppe.

- Ausgrenzung: ein Schüler, der früher mit Feuereifer mit seinen Mitschülern geredet und getestet hat, steht nun oft abseits und nimmt am sozialen Miteinander des Unterrichts kaum Teil. Wichtig ist, dass es sich um eine eigene Abgrenzung handelt und er nicht ausgeschlossen wurde. Da es einige immer wiederkehrende Abläufe im Training gibt, kann so etwas leicht übersehen werden (besonders bei einer großen Anzahl von Schülern). Deshalb ist das Nacharbeiten des Trainings so wichtig. Die Ausgrenzung führt unweigerlich zu Desinteresse und Demotivation.

- Fernbleiben: eigentlich das beste Indiz für Demotivation, obwohl andere Gründe vorliegen können. Wiederrum ist es nicht einfach, bei größeren Schülergruppen und verschiedenen betreuten Schulen zu erkennen, wer besonders oft fernbleibt. Das ist ein logistisches Problem. Der zusätzliche Arbeitsaufwand, der daraus resultiert, ist nicht von der Hand zu weisen. Es müssten im besten Fall die Anwesenheitslisten durchgegangen werden und dann gezielt andere Schüler angesprochen werden, ob sie etwas wissen.

- Schlechte Leistung: ein Schüler quält sich zum Training, ist aber nicht bei der Sache, macht Übungen unsauber und hört nicht richtig zu. Hier können persönliche Probleme im Vordergrund stehen oder aber der Schüler steht am Scheidepunkt zu Desinteresse und Demotivation. Ein schnelles klärendes Gespräch ist notwendig oder der Schüler wird fernbleiben.

Natürlich sind diese vier Punkte nur die Spitze des Eisbergs. Grundsätzlich sollte ein nahes Verhältnis zwischen den Ausbildern und den Schülern bestehen, damit Wirkungen von Demotivation aufgefangen werden können. Die Nähe führt darüber hinaus zu etwas äußerst Wichtigem: Schüler, seien sie besonders gut oder normal begabt, können in ihrem Leben schlechte Erfahrungen mit körperlichen und verbalen Angriffen machen, die trotz Training schlecht oder deprimierend für sie ausgehen. Im Inneren schwelt jetzt eine Art Kampf: soll ich aufgeben oder weitermachen. Aus kleinsten Zusammenstößen kann so tiefe Furcht werden. Nur mit einer Aufarbeitung solcher Erfahrungen kann Distanzierung vom Training vermieden werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen: es gehört Mut dazu, sich auf das genaue Selbstbeobachten einzulassen und das Training genau zu untersuchen, um Verbesserungen anzubringen. Mut und Nähe zu den Schülern, das Gespräch suchen, wenn Indizien von Demotivation auffallen und genaues Hinschauen, was passiert: all das verbindet sich zu dem richtigen Ansatz, zu erkennen, wie die Schule insgesamt läuft, welche Schüler Hilfe brauchen etc.. Denn nicht nur das bloße Vermitteln von Kampfkunst, ist das Ziel. Motivierte Schüler fühlen sich besser und sind auf lange Sicht Multiplikatoren für die Außenwirkung.

Text: Philipp Rogmann-Proietti