EWTO

Eure Erfahrungsberichte zu Zivilcourage

Nicht immer ist es sinnvoll, sich direkt körperlich in eine Auseinandersetzung einzumischen. Konstantin wägt ab, z.B. wann und wie man wirksam bei gleichzeitiger Eigensicherung helfen kann…

11.01.2010 - 14

Hallo zusammen,
ich heiße Konstantin und mache jetzt seit Dezember 2009 WingTsun, bin also noch relativ frisch. Ich habe aber schon gemerkt, dass ich viele sinnvolle Dinge gelernt habe und dass ich wohl „meinen Kampfsport“ jetzt endlich fand. Zuvor habe ich zwei Jahre Aikido und ein halbes Jahr Kickboxen gemacht, das wurde mir schnell zu langweilig, weil ich praxisnäher trainieren wollte. Eben auch, um Zivilcourage zeigen zu können und umzusetzen, womit ich dann auch schon zum Thema komme.
Oft denke ich, dass ich Menschen schon in Wortgefechten helfen möchte, um eine Eskalation zu vermeiden. Es gab auch schon Situationen, in denen das ging. Zum Beispiel auf einer Party: Man kennt einen Großteil der Leute und irgendjemand, den man nicht so gut kennt, fängt Streit an und möchte sich schlagen. Meist ist so etwas dann mit einem angebotenen Bierchen abgekühlt und erledigt.
Wenn ich jedoch auf der Straße unterwegs bin, womöglich noch allein, sieht das schon ganz anders aus. Sehe ich da zum Beispiel, dass ein Einzelner von dreien geschlagen wird, bin ich zunächst erst einmal vorsichtig, denn: Weiß ich, ob die Angreifer nicht auch Kampfsporterfahrungen haben? Weiß ich, ob die Angreifer Waffen oder Ähnliches dabei haben, die sie einsetzen werden? Meine Unversehrtheit spielt in dem Falle schließlich genauso eine Rolle, so gern ich dem Opfer auch helfen würde. Etwas, das ich aber auf jeden Fall machen würde, wäre, aus einer sicheren Entfernung den äußerst wirkungsvollen Satz zu rufen: „Ich rufe jetzt die Polizei!“ Viele Angreifer sehen dann von ihrem Vorhaben ab. Zudem hat man noch eine sichere Distanz, falls die Angreifer dann auf einen selbst losgehen wollen.
Rechtliche Sichtweise:
Das Problem, wenn man allein gegen mehrere steht, ist ja dann noch die Aussagelastigkeit bei der Polizei am Ende. Ist man allein oder zu zweit gegen fünf und behauptet, in Notwehr gehandelt zu haben, und fünf andere Menschen sagen das Gegenteil, steht man selbst eventuell auf der Schneide und muss mit einer Bestrafung rechnen. Unser System ist ja nun einmal so. Kommt dabei jemand zu Tode (z.B. rückwärts mit dem Genick auf den Bordstein; auch wenn man es lernt, schafft man es nicht immer, den Gegner sanft zu Boden zu bringen), darf man sogar eine längere Zeit ins Gefängnis. Und ob man das dann riskieren will, ist wieder etwas anderes.
Zivilcourage kann man trotzdem immer und überall mit Bedacht und Vorsicht praktizieren. Wichtig aus meiner Sicht ist nur, dass sich Menschen (mögliche Zeugen) in der Nähe befinden und dass man laut auf sich aufmerksam macht und auf die Konsequenzen, die es für die Angreifer geben wird, sofern man sich einmischt. ;)

Schöne Grüße aus Hagen,
Konstantin

 

23.12.2009 - 13

5. Januar 2008, mein erster Schultag nach erholsamen Winterferien:
Wie gewöhnlich drehte ich eine Runde in der Schule, um bekannte Gesichter und Freunde zu begrüßen. Begleitet von einem guten Freund durchquerte ich einen belebten Korridor, der gerade von einer neuen Ladung Schüler aus der eben eingetroffenen Bahn überflutet wurde. Abgesehen vom vielfachen Gedrängel und Geschubse eine harmlose Angelegenheit.
Eine Person fiel jedoch aufgrund ihres Verhaltens auf. Ein dunkelhaariger, etwa 1,75 cm großer, aber dafür stämmiger junger Mann, ungefähr 25 Jahre alt, schubste ein schlankes Mädchen mehr oder weniger spaßeshalber vor sich her. Er grinste breit, doch dem Mädchen fehlte jegliche Begeisterung für diese Behandlung. Und da geschah es auch schon: Sie tadelte ihren Peiniger für das Geschubse, woraufhin dieser das Mädchen zwischen Kinn und Kehle packte und gewaltvoll mit Schwung gegen die Wand drückte. Da niemand eingriff, machte ich mich mit einer Berührung an der Schulter des jungen Mannes bemerkbar und fragte ihn: „Was tust Du da? Ist das nötig?“
Seine nonverbale Antwort bekam ich, ohne Ankündigung in Form eines Schwingers zu spüren. Ich, im Kampf noch unerfahren, wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Da flog schon die nächste Faust auf mich zu, gefolgt von einer dritten und lautem Rumgebrülle: „Ob ich denn wisse, mit wem ich mich da anlege?“ Beherzt griff in dem Moment – für meinen Geschmack viel zu spät – mein Freund ein und zog uns auseinander.
Was mir von diesem Konflikt in Erinnerung blieb, sind das hilflose Gaffen der Unbeteiligten und die leichten Verletzungen, die ich wohl den Lederhandschuhen meines Angreifers zu verdanken hatte. Für ihn blieb dieser Angriff leider ohne Konsequenzen, da er kein Schüler war und sich nie wieder blicken ließ.
Dafür verging dann nicht viel Zeit bis WingTsun mein Interesse weckte. Heute bin ich ein ruhiger, selbstbewusster und hilfsbereiter WingTsunler, der sämtlichen folgenden Konflikten entweder erfolgreich entgegentreten oder, noch besser, sie bereits in ihrer Entstehung abwenden konnte.

Mit freundlichen Grüßen,
Birger Allais (19)

 

27.11.2009 - 12

Hallo WT-Team,

Hier meine zwei prägendsten Erfahrungen mit Zivilcourage.
Vor vier Jahren war ich mit zwei Freundinnen in der Stuttgarter Innenstadt auf der Königsstraße unterwegs. Als wir in der Nähe einer Disco waren, bei der es zu dieser Zeit normal war, dass es zu später Stunde vor der Disco immer zu Trouble kam, ist ein Trupp von Jugendlichen, ca. 10 Leute, aus dieser Seitenstraße gerannt gekommen, weil sie einen einzelnen gejagt haben. Ungefähr 15 m vor uns erwischten sie ihn leider und natürlich sind dann alle 10 Mann auf ihn drauf mit Faustschlägen und Fußtritten, als er am Boden lag. Ich habe sofort die Polizei gerufen, die dann auch sehr schnell kam. Sobald die Schlägertruppe aber das Blaulicht sah, verschwand sie in alle Winde, einschließlich des Opfers. Daher war dem Opfer wahrscheinlich bis dahin noch nicht viel passiert.

Mein zweites Erlebnis hatte ich im November letzten Jahres. Ich arbeite nebenher in einem Café. Als ich abends beim Fegen war, sah ich, dass sich ein Pärchen in unserem Außenbereich gesetzt hatte.
Irgendwann dann nahm ich aus dem Augenwinkel schnelle Bewegungen bei diesem Pärchen wahr und als ich hinschaute, hat er gerade seiner Freundin mit der Faust 2-3 mal auf den Kopf geschlagen. Auch hier habe ich sofort die Polizei gerufen. Seine Freundin ist weg gerannt und da er noch eine kleine Weile vor unserer Bar herumbrüllte, konnte die Polizei ihn auch einkassieren.

Ich mache erst seit Februar WingTsun, aber selbst mit mehr Erfahrung hätte ich vermutlich in keinen der Fälle selbst eingegriffen. Vielleicht im zweiten Fall, wenn er auf seiner am Boden liegenden Freundin eingeschlagen hätte o.Ä. Was man aber immer machen kann, ist die Polizei zu rufen. Das Einzige, was ein kurzer Anruf bei der Polizei kostet, ist etwas Akku-Ladung vom Handy ;-).
Beste Grüße aus Stuttgart,
Jan**

08.11.2009 - 11

Wie leicht gehen einem als Unbeteiligtem solche Sätze über die Lippen. Auch ich bin stets „todesmutig“, wenn ich solch schreckliche Meldungen wie den Tod des Münchner Unternehmers an der S-Bahnstation oder vergleichbare Nachrichten in der Zeitung lese.
Leider sieht die Realität oft anders aus. In den letzten beiden Jahren bin ich in zwei völlig unterschiedliche Situationen geraten, beide bei weitem nicht so dramatisch wie der jüngste Fall in München, und ich habe völlig unterschiedlich reagiert.
Vor gut eineinhalb Jahren stand ich in der Mittagspause an der Kasse eines SB-Marktes in der Schlange, als vor mir zwei Männer begannen einen vor ihnen stehenden, sehr dicken Mann verbal anzugreifen: „Fette Sau!“ und „Bei Hitler hätten sie solche wie Dich…!“ Anfangs sagte niemand etwas, dann jedoch bat die Frau des Opfers die beiden Männer doch, sie mögen aufhören, man hätte ihnen doch nichts getan. Dies stachelte die „Herrschaften“ noch mehr an. Ihre Beschimpfungen wurden massiver und beleidigender und sie begannen den Mann zu berühren und zu schubsen.
Niemand der anderen sagte etwas. Im Gegenteil: Man konzentrierte sich intensiv auf die eigenen Produkte auf dem Laufband, hatte man genug Milch, fehlte vielleicht etwas, vielleicht kann man die Sachen ja noch anders auf dem Laufband anordnen. Mit anderen Worten: Nur nicht hingucken!
Auch ich war hin- und hergerissen. Was tun? Klar merkte auch ich ein Unbehagen, vielleicht sogar Angst, aber dann bat ich laut, man möge doch den Mann in Ruhe lassen.
Was ich denn wolle, wurde ich gefragt und ich wiederholte, dass die beiden doch den Mann in Ruhe lassen sollten. Schließlich hätte er ihnen ja nichts getan.
„Du kannst gerne ein paar vor die Fresse bekommen“, meinte einer der Jungs, aber dafür müsse ich nach Köln kommen, denn da würden sie herkommen.
Mit viel Angstschweiß im Nacken antwortete ich, dass wir uns nicht erst in Köln treffen müssten, sondern dass wir das hier direkt vor dem Markt klarmachen könnten: „Von mir aus können wir direkt vor die Tür gehen!“
Verblüffenderweise, nur weil ich etwas gesagt hatte, hörten die Beschimpfungen auf. Die beiden zahlten und zogen fluchend und gestikulierend von dannen.

Das andere Extrem erlebte ich erst vor wenigen Monaten. Auf unserer Straße prügelte sich an einem Freitagabend eine Gruppe von etwa zehn Jugendlichen. Einer lag blutend auf dem Boden, Bierdosen flogen, die Kids stachelten sich gegenseitig an, Mädels schrien.
Geht man da hin? Ruft man die Polizei? Ich habe nichts gemacht, nur geguckt. Ich weiß nicht warum. Ich stand da mit meiner Frau und wir haben zusammen mit anderen „Schaulustigen“ gegafft. Und ganz ehrlich, ich hatte echt Schiss.
Irgendwann verschwand die Horde und mich plagte schon das schlechte Gewissen.

Zwei Situationen, zweimal ich. Zwei unterschiedliche Reaktionen.

Wegschauen ist immer falsch, ich bin immer für Zivilcourage. Aber ich habe selbst erlebt, dass es gar nicht so einfach ist, aufzustehen und mutig zu sein. Ich habe mir fest vorgenommen, sollte ich wieder in eine ähnliche Situation kommen, Zivilcourage zu beweisen. Warten wir es ab!

Michael Schorn
WT Grefrath

 

02.11.2009 – 10

Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass man sich heute mehr auf sich selbst verlassen muss, als auf die Zivilcourage unserer Mitmenschen. Aber irgendwo kann man das, was in der Vergangenheit geschehen ist, auch nachvollziehen! Die, die Zivilcourage haben, ziehen die Aggression dieser Täter auf sich und weil nicht so viele Mut beweisen, wie sie selbst, haben sie das Nachsehen. Was leider in dem letzten Fall den Tod zur Folge hatte! Ich selbst war auch schon in einer bedrohlichen Situation, in der mir keiner zur Hilfe kam und ich wahrscheinlich einfach nur Glück hatte, mich daraus zu befreien, und in der ich feststellte, dass ich mich auf meine Mitmenschen nicht gerade verlassen kann! Jedoch finde ich es traurig, dass eine Gesellschaft, die darüber spekuliert und darüber entsetzt ist, nicht in der Lage ist, in einer Notsituation einzugreifen! Man braucht sich selbst nicht in Gefahr zu bringen, aber ein Handy zu bedienen, um einen Notruf abzusetzen, das kann doch eigentlich jeder. Aber ich denke, da die meisten Menschen in der heutigen Zeit, mehr auf sich selbst fixiert sind als auf ihre Mitmenschen und lieber wegsehen, als zu helfen, wird sich daran nicht viel ändern! Und die, die noch Zivilcourage besitzen, die sind Gold wert, aber leider allein. Und müssen vielleicht auch noch mit dem eigenen Leben bezahlen!
Denise Senger

31.10.2009 – 9

Hallo zusammen,
da ich ein treuer Fan eurer Internetseite bin und mir immer wieder eure aktuellen Beiträge anschaue und durchlese, ist mir natürlich auch dieser Beitrag zur Zivilcourage ins Auge gefallen und fühlte mich dadurch direkt angesprochen; denn man erlebt selten, dass es jemanden interessiert, wie es einem in so einer Situation geht.
Bei mir war es eigentlich eine selbstverständliche Reaktion, wie ich in meinem Fall reagiert habe. Das wurde aber durch die Justiz anders gesehen. Doch erst einmal zum Vorfall:
Ich war wie in den meisten Wintermonaten mit meinem Freundeskreis beim Eishockey in Köln. Zwischen 22 und 23 Uhr mache ich mich meistens auf den Heimweg, so auch bei diesem Mal. Da die Bahn nicht mehr bis zu mir nach Hause fährt, muss ich immer eine Strecke von ca. zwei Kilometer zu Fuß gehen. Es ist ein sehr schlecht beleuchteter Fußweg entlang der Schienen. Bei einem unbeleuchteten Stück hörte ich dann ein weinerliches Wimmern einer Frau und wunderte mich. Ich hörte etwas genauer hin. Als ich dann einen lauten Knall hörte, der von einer zweiten Person kommen musste, wurde ich natürlich noch aufmerksamer und schaute genauer nach. Ich entdeckte einen Mann, der versuchte gegen den Willen der Frau, Sex zu erzwingen – vermutete ich zumindest – und bin umgehend dazwischengegangen. Da er sehr stark alkoholisiert war, wurde er schnell aggressiv und es kam zu Handgreiflichkeiten. Ohne mir Gedanken um Konsequenzen zu machen, entstand sehr schnell eine heftige Schlägerei, wobei ihm die Nase und Rippen gebrochen wurden. Nachdem ich ihn endlich in einem festen Griff hatte und die Polizei rufen konnte, die auch sehr schnell kam und ihn festnahm, konnte mit Hilfe der Polizei die verstörte Frau erst einmal ins Krankenhaus gebracht werden.
Nach meiner Aussage bei der Polizei kam dann auch die Verhandlung vor Gericht, wo ich aussagen sollte, was natürlich selbstverständlich war. Aber zu meiner Überraschung wurde ich vom eigentlich Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt – und er bekam auch noch Recht. Ich wurde zu einer Freiheitsstrafe und Schmerzensgeld verurteilt. Und das, weil man jemandem geholfen hat. Also da wundert es mich nicht, dass immer mehr Menschen nicht mehr helfen.
Aber ich würde es immer wieder tun.

Gruß Pascal

25.10.2009 - 8

Hallo und guten Tag,

hab' den Newsletter von Euch bekommen und finde die oben genannte Frage recht spannend.
Nun, vielleicht war ich damals etwas leichtsinnig, … aber ich hab' mich schon zweimal eingemischt.
Einmal hatte ich mitbekommen, wie ein Mann auf einen anderen los ging. Na ja, und ich bin einfach dazwischen. Varrückt, wa? Ist aber auch schon länger her. Und war gut gegangen.
Und Jahre später dann hatte ich zwei Halbwüchsige verfolgt und gestellt, die meinen Sohn um Geld erleichtert hatten. Nun, da hatte ich wohl wieder Glück. Die waren so überrascht, dass sich jemand mit ihnen „anlegte“, dass sie sich nicht ernsthaft wehrten, als ich sie festhielt. Na, da waren allerdings auch Leute drum herum – es war am Tage auf einem belebten Platz in Potsdam – und jemand alarmierte gleich die Polizei, die dann auch gleich kam…
Aber damit mir das nicht so ergeht wie dem Mann in München, will ich mal sehen, ob ich mit WingTsun anfangen kann.

Beste Grüße!
Euer Andreas B.

 

Die nachfolgenden Geschichten wurden uns bisher geschickt:

5.10.2009 - 7

Hallo liebes WT-Team,
 
Ich bin Jenny, 24 Jahre alt, aktiv bei der Freiwilligen Feuerwehr und habe schon so einige Erfahrungen gemacht, aber die, die ich am erschreckensten finde, teile ich euch nun mit:
Ich ging zur Bank und wollte nur Kontoauszüge ziehen, als ich dort rein kam, stand eine Traube Menschen um einen an der Wand sitzenden Mann herum. Niemand half. Ich ging zu dem Mann hin und versuchte, ihn anzusprechen. Er war ziemlich verwirrt und wusste nicht recht, was los ist, viele Informationen bekam ich aus ihm nicht heraus. Plötzlich stand der Filialleiter hinter mir und meinte, ich sollte den Mann nicht anfassen, man wüsste ja nicht, was er hat. Als ich den Satz hörte, fiel mir nichts mehr ein. Diesen Satz hörte ich von ihm noch 2x. Ich hatte ziemlich schnell heraus, was dem Mann fehlte, er war schlichtweg unterzuckert und brauchte eigentlich nur etwas Zuckerhaltiges. Zufällig kam ein junger Mann mit einer Cola rein und stellte mir diese zur Verfügung. Als der Rettungswagen eintraf und den Mann mitnahm, platzte mir leider der Kragen und ich stellte den Filialleiter zur Rede. Ich sprach ihn auf seine dumme Aussage an, die er mir mehrfach an den Kopf warf. „Man weiss nicht, was er hat?!“ Ich sagte ihm, dass ich stolz auf ihn sei, er hatte es ja wenigstens geschafft, einen Rettungswagen zu rufen. Er schaute mich verdutzt an und fragte, was er denn hätte tun sollen. Ich dachte, ich höre nicht richtig. „Einen Erste-Hilfe-Kursus!“, war meine Antwort.
Wahrscheinlich, war sein erster Erste-Hilfe-Kursus auch der letzte und das zur Führerscheinprüfung. Er faselte noch, er wäre sich nicht sicher gewesen, ob er das Richtige machen würde. Ich konnte nur mit dem Kopf schütteln. Man kann lieber etwas verkehrt machen, als wegschauen.
Ich finde, man sollte in Firmen Erste-Hilfe-Kurse regelmäßig zur Pflicht machen. Damit solche Situationen nicht vorkommen und jeder weiß, was er tun muss. 
Mein Appell an ALLE:
Nehmt Euch einen Samstag Zeit und belegt einen Erste-Hilfe-Kursus. Schaut nicht weg, wenn etwas passiert. Ihr könnt nichts verkehrt machen, auch wenn Ihr Euch nicht sicher seid. Das Schlimmste ist, nicht zu helfen. Opfert acht Stunden Eures Lebens für einen Kursus und helft anderen, damit sie ihr Leben weiterleben können…
Wenn Ihr in solch eine Situation kommt, wollt Ihr auch, dass Euch jemand hilft!
Denkt nicht nur an Euer Leben!
 
MfG
Jenny
  

2.10.2009 - 6

Guten Tag,

mein Erlebnis ist kurz, aber prägnant:
Ich war um die 20, hatte kaum straßentaugliche Kampferfahrung und war in einer Disco in Passau. Irgendwann nach 24 Uhr verfolgte ich, wie drei etwa Gleichaltrige vor der Disco auf einen mir flüchtig bekannten Punker losgingen, vermutlich wegen seines Aussehens. Ich ging dazwischen mit der Bemerkung, dass 3 gegen 1 feige sei und wenn dann müsse Mann gegen Mann gekämpft werden. Das Ende vom Lied war, dass die drei auf mich losgingen und ich die Prügel einsteckte. Hilfe vom sonst eigentlich netten und hilfreichen Punker erhielt ich keine.

Viele Grüße
Robert B.

1.10.2009 - 5

Hallo liebe Leute,

ich habe eine Geschichte erlebt, die ich bis heute nicht vergessen kann. Ich bin in Frankfurt am Main aufgewachsen und öfter abends mit der S-Bahn nach Mainz gefahren. Als ich ca. 18 Jahre alt war und wieder einmal eines Abends mit meinem besten Freund mit der S-Bahn nach Mainz fahren wollte, waren erstmal nur wir in dem Abteil. Dann stieg ein arabisch aussehender junger Mann dazu und setzte sich neben mich und direkt gegenüber meines Freundes. Der Mann fragte meinen Freund nach einer Zigarette, worauf der antwortete, er hätte keine. Darauf hin zog der Mann selbst eine Packung aus der Jacke und bot ihm eine an.
Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon ein mulmiges Gefühl. Mein Kumpel beugte sich ein bisschen nach vorne, um sich die angebotene Zigarette zu nehmen. In dem Moment schlug der Mann ihm voll ins Gesicht, so dass er mit dem Kopf gegen die Wand knallte, dann beugte der Typ sich zu ihm und schlug noch 3-4 Mal voll zu und zog dann eines seiner Beine am Knöchel nach oben, so dass mein Kumpel jetzt ganz benommen fast auf dem Sitz in der Ecke lag. Ich stand schon längst und zupfte total geschockt von dieser plötzlichen Eskalation halbherzig an der Jacke des Angreifers herum und rief so etwas wie: „Hör auf!“ oder Ähnliches.
Der Typ, immer noch den Knöchel meines Freundes in der Hand, drehte sich zu mir und sagte so etwas wie: „Halt's Maul, sonst kriegst Du sie auch noch!“. Danach trat er, das Bein festhaltend, noch mehrmals gegen den Kopf meines Kumpels. Ich weiß noch, ich war gelähmt vor Angst. Ich war nicht im Geringsten in der Lage zu helfen, was mir bis heute zu schaffen macht. Obwohl ich heute weiß, dass ich in diesem Moment nicht hätte helfen können, weil dieser Mensch viel zu entschlossen, zu erfahren und auch sonst körperlich völlig überlegen war. Trotzdem vergisst man solch hilflose Momente nicht und wahrscheinlich wäre heute das Gefühl besser, wenn man auch zusammengeschlagen worden wäre. Das Ganze lief auf einen Raub hinaus, der Mann leerte noch die Taschen meines Freundes, nahm mir noch einen Taschencomputer aus der Brusttasche und verließ ganz seelenruhig an der nächsten Station die S-Bahn.

Viele Grüße
Oliver Schmidt /Berlin
(2. TG) 

 

1.10.2009 - 4

Hallo WT-Welt,
 
meine Erfahrung liegt jetzt ungefähr 3 Jahre zurück. Als ich vom Einkaufen wiederkam, sah ich zwei Männer vor einem Wohnblock in meiner Straße stehen. Sie gestikulierten recht aufgebracht und zeigten Richtung einer Wohnung im zweiten Stock. Als ich näher herankam, hörte ich Hilfeschreie einer Frau und Geräusche, die sich nach einem Kampf anhörten. Es war ein sehr aufgebrachter Mann zu hören. Eine Nachbarin stand auf dem Balkon und erzählte, sie hätte bereits die Polizei gerufen. Ich blieb bei den beiden Männern stehen und wir überlegten, ob wir irgendetwas tun oder lieber auf die Polizei warten sollten. Währenddessen wurden die Geräusche immer heftiger – ein Schrank oder ein anderes großes Möbelstück ging zu Bruch. Die Frau schrie wieder um Hilfe und wurde dabei anscheinend gewürgt. Den zweiten Hilfeschrei konnte sie nicht zu Ende bringen und es war nur noch ein Ächzen und Stöhnen zu hören. Wir rannten sofort das Treppenhaus hoch, bis wir an der Wohnungstür ankamen, aus der (zum Glück) noch immer ein Kampf zu hören war. Wir schlugen und traten alle gemeinsam gegen die Tür und schrien, er solle aufhören und sie in Ruhe lassen. Schlagartig war drinnen Ruhe und es wurde ruhiger gesprochen. Dann war zu hören, wie eine Schublade aufgezogen wurde. Besteck klapperte und wir wichen erschrocken schnell einen großen Schritt von der Tür zurück. Die Frau öffnete die Tür einen Spalt, was irgendwie komisch war. Ich hätte den vor Wut schnaubenden Mann erwartet. Der stand hinter der Tür und zog sie weiter auf, so dass er mit nacktem Oberkörper vor uns stand. Wir haben ihm gesagt, er soll die Frau in Ruhe lassen und dass er sie nicht würgen soll und fragten, ob er sie umbringen wolle – die Polizei käme auch gleich. Er wollte sich gerade wieder aufregen und die Tür noch weiter aufziehen, aber dann schloss die Frau die Tür wieder. Wir standen unheimlich unter Spannung, weil wir dachten, jetzt geht’s los. Und die Frau, der wir helfen wollten, schließt die Tür…! Als wir verdutzt die Treppe runter kamen, eilten uns die Polizisten entgegen. Wir zeigten ihnen die Wohnung und gingen hinunter. Draußen entschlossen sich die beiden anderen Männer zu gehen. Eine Aussage wollten sie nicht mehr machen. Ich wartete noch und machte meine Aussage. Das war auf jeden Fall notwendig. Erstens hilft es der Frau vielleicht, sich doch irgendwann von dem Mann zu lösen und zweitens musste das Geschehene schnell festgehalten werden, so lange die Erinnerungen noch frisch waren. Wir wollten sie gegen ihren/den Mann schützen – trotzdem nahm sie ihn in Schutz. Wer weiß, vielleicht wäre sie noch weitergegangen und hätte irgendwie gegen uns ausgesagt, um ihn auch gegen eine Bestrafung zu schützen …
 
René Möller
12. SG WT

 

1.10.2009 - 3

Liebes WT-Welt-Team,

mein Erlebnis liegt ungefähr 10 Jahre zurück. Ich war damals noch ein aktiver Bodybuilder und ging mir mein Gabelfrühstück kaufen. Als ich in der Nähe des Kaufhauses war, bemerkte ich schon von weitem, dass eine Frau und ein Mann eine ziemlich laute Auseinandersetzung hatten. Als ich ungefähr auf gleicher Höhe mit den beiden war, schlug der Mann der Frau mit der Faust ins Gesicht, so dass diese benommen in die Knie ging. Ich packte darauf von hinten den Mann, brachte ihn dadurch sofort aus dem Gleichgewicht und wollte mit ihm zu dem sehr nahe gelegenen Polizeiposten gehen bzw. ich zerrte ihn rücklings, halb schleifend die Straße entlang. Nach ca. 30 Metern zurückgelegter Strecke sprang mich etwas von hinten an – heute weiß ich – es war die geschlagene Frau. Laut schrie sie mich auf der Straße an: „Lass meinen Mann in Ruhe!“ Ich meinte nur: „Schade, dass er Sie nicht erschlagen hat!“ und entfernte mich langsam und vorsichtig, bis ich die beiden aus den Augen verlor.

Vor ca. 2 Jahren (3. SG WT) hatte ich so eine ähnliche Situation in der Steiermark auf einem Kaufhausparkplatz – vermutlich ein Ehepaar ca. 60 Jahre und er ohrfeigte sie zwei Mal und dann gingen sie einkaufen. Die ganze Zeit über schaute ich nur zu. Warum ich nicht einschritt, kann ich nicht sagen. Vielleicht, weil die beiden vom Alter her meine Eltern sein konnten?

Herzliche Grüße aus Wien
Roland Reischenböck

 

1.10.2009 - 2

Meine (positive) Erfahrung

Ich sitze um Mitternacht im S-Bahnhof Marienplatz München, als ich ca. 50 Meter entfernt eine lautstarke Auseinandersetzung mitbekomme. Ich verstehe zwar kaum ein Wort, aber es ist klar ein Streit zwischen einem großen, südländisch aussehenden Mann Mitte 30 und einem kleinen, untersetzten Mann im Rentenalter. Die Auseinandersetzung wird immer heftiger, der junge Mann schubst den Rentner mehrfach. Ich fordere die drei jungen Männer um mich herum auf: „Kommt wir müssen etwas tun, wir gehen alle gemeinsam da mal hin.“ Ich erhalte sofort Zustimmung und wir marschieren mit geschwellter Brust und flotten Schrittes zu den Kontrahenten. Unterwegs haben sich noch weitere Passanten, Helfer oder Schaulustige unaufgefordert angeschlossen. Jedenfalls waren wir etwa acht Personen, als wir am Brandherd eingetroffen sind. Daher habe ich mich getraut, sofort laut zu rufen: „Hör sofort auf damit!“ Hat funktioniert – Streit beendet!
In der anschließenden Diskussion hat sich übrigens herausgestellt, dass der junge Südländer auf der Rolltreppe von dem Rentner angespuckt und als „dreckiger Ausländer“ beschimpft worden war.

Meine Lehre aus diesem Vorfall:

1. Passanten mitnehmen ist eine wirklich gute Idee.
2. Es ist nicht leicht, zu entscheiden, auf wessen Seite man sich bei einer Auseinandersetzung stellt.
3. Bei der Frage „Eingreifen oder nicht“ stellt sich nicht die Frage, ob es gefährlich ist oder nicht. Es ist die schlichte Pflicht, bedrohten Menschen zu helfen, ob es mir leicht fällt oder nicht.

Mit freundlichen Grüßen
Bernd Aumiller, 2. TG

 

1.10.2009 - 1

Hallo WT-Welt,
 
ich möchte Euch von einem Erlebnis in Stuttgart erzählen. Es liegt bereits ca. 3 Jahre zurück, als in Stuttgart ein Fußballfreundschaftsspiel zwischen Deutschland und Irland stattfand. Aus diesem Grund wurden in der Innenstadt Leinwände aufgebaut und es war sehr viel los. Ich war mit Bekannten unterwegs und fuhr gegen 1:30 Uhr mit dem Nachtbus nach Hause. Dieser war voll mit Fußballfans und außer zwei Männern und einer Frau waren keine irischen Fans anwesend. Bis auf zwei Jugendliche im hinteren Teil des Busses waren alle friedlich, diese jedoch beschimpften die Iren mit allem, was ihr beschränktes Englisch hergab. Vor allem die Frau wurde mit allem betitelt, was man in einem Hip-Hop-Video aufschnappen kann. Obwohl ich alleine war, konnte ich mir dies nicht mehr mitanhören und sah, dass die Iren auch ziemlich eingeschüchtert waren. Daraufhin forderte ich die Jungs auf, dies bitte zu unterlassen, woraufhin auch die anderen Mittreisenden reagierten und mir zustimmten.
Nachdem ich den Bus verließ, merkte ich, wie die zwei „Halbstarke“ mich verfolgten und der eine meinte zu mir: „Im Bus hast du dich so mutig gefühlt, wie sieht es jetzt aus?“ Woraufhin ich erwiderte: „Ich bin immer noch mutig.“ Sofort gingen sie zu zweit auf mich los. Zum Glück konnte ich mich verteidigen und erwischte den einen so, dass ihm die Lust verging. Der andere ließ auch von mir ab und nahm seinen Freund mit und verschwand. Mir ist außer einer dicken Beule und einem zerkratzen Handy nichts passiert. Ich denke, wäre ich nicht eingeschritten, hätten sie im Bus weiter belästigt und niemand hätte etwas getan.
 
 
Peter Brintzinger
1.TG WT
Ausbilder WT-Schule Stuttgart Wangen & Untertürkheim
Schüler von Sifu Edel

 

Foto: Fotolia