Editorial

„BlitzDefence“ – Interview statt Editorial dritter Teil

Wir wollten heute über Deine „BlitzDefence“-Methode sprechen. Wie entstand diese Idee?

Wer viele Jahre WT trainiert hat, sollte genug Mittel entwickelt haben, um sich zu verteidigen. Ganz anders sieht es mit jemand aus, der …

    Markus Senft interviewte GM Kernspecht für die WTW online
 

… vielleicht erst wenige Monate übt. Aber gerade dieser hat ein Bedürfnis nach Sicherheit. Ähnliches gilt für Sicherheitskräfte, Polizeibeamte usw., die nur wenige Ausbildungsstunden zugemessen bekommen.

Solche Klienten mussten doch vor der Kreation des BlitzDefence WT-Kettenfauststoß-Salven abfeuern auf alles, was vor ihnen stand, oder?

Richtig, und auf diese „Keule“ können sie weiterhin zurückgreifen, wenn die verhältnismäßigeren Mittel des BlitzDefence wider Erwarten nicht greifen sollten. BlitzDefence habe ich Ende der 1990er Jahre entwickelt. Es besteht aus Körpersprache, verbaler Kommunikation, Automatismen und einer angemessenen Vorwärtsverteidigung, die verantwortungsbewusst und angepasster vorgeht und im Idealfall aus einem einzigen K.-o.-Schlag besteht, falls alle Deeskalationsversuche erfolglos blieben.

Was war das Problem mit den Kettenfauststößen?

Die oft fehlende Verhältnismäßigkeit, die westliche Gerichte erwarten. Wer mit 30 Kettenfauststößen über jemand hergefallen ist, weil er den „Eindruck“ hatte, dass der gerade angreifen wollte, wird beim Richter wenig Verständnis ernten.

Ich weiß die Antwort, aber frage trotzdem für den Laien: Weshalb überhaupt zuschlagen? Kann man nicht besser nur ausweichen und den Angreifer mit einem Hebel zur Vernunft bringen?

Das wäre bestimmt humaner. Aber diese Fähigkeit stellt sich leider erst nach Jahren ein. Solch ein Risiko ist keinem Unschuldigen zuzumuten, der den Angreifer nicht herausgefordert hat. Und es hat sich herausgestellt, dass ein Anfänger dann die besten Chancen hat, wenn er überraschend anfängt.

Wie bringt sich ein Anfänger von der richtigen Entscheidung, angreifen zu müssen, um eine Chance zu haben, zum Handeln, zum befreienden Schlag?

Dafür haben wir z.B. das „Triggerwort“, eine Idee, die ich meinem Freund Geoff Thompson aus England verdanke. Damit kommt man von der Entscheidung zum Entschluss.

BlitzDefence existiert nun schon ziemlich lange. Wie hat es sich bewährt?

Wir können auf 13 Jahre Erfahrung und privaten und behördlichen Einsatz in vielen Ländern der Welt zurückblicken. Es hat sich mehr als bewährt. In den rauesten Städten und in Krisengebieten. Entsprechende Berichte und Danksagungen bestätigen unsere Erwartungen.
Aufgrund der gemachten Erfahrungen haben wir es immer weiterentwickelt. Damit meine ich vereinfacht.

Worauf beruht BlitzDefence technisch gesehen?

Auf einer getarnten, nicht provozierenden Sicherheitshaltung, angewandter Psychologie, auf Achtsamkeit, Entschlossenheit, auf Ablenkung und einem Fauststoß, hinter dem das Körpergewicht versammelt ist.

Hast Du das alles selbst entwickelt?

Ich wollte, das wäre so. Aber ich habe zurückgreifen können auf Erkenntnisse von vielen Experten: wie Jesse Glover, Bruce Lees 1. Schüler und Assistenz-Lehrer. Geoff Thompson, den berühmtesten Türsteher Europas, Bill Newman, den ich wohl ebenso wenig vorstellen muss wie meinen chinesischen Meister Leung.

Worauf reagiert der BlitzDefence-Anwender?

Auf wenige optische Muster.

Wie viele Techniken müssen dazu erlernt werden?

Ich habe es geschafft, mit weniger als 6 Techniken (Kombis) auszukommen. Jede weitere Bewegung wäre eine zu viel zum Erlernen. Und es findet auch eine Aufgabenteilung statt: unsere dominante (stärkere) Hand führt den K.o. herbei, die schwächere kontrolliert.

Kann man da eigentlich von wahrem WingTsun sprechen? Ich meine, WT in Deinem Sinne; denn Du kultivierst ja ein WT, das Achtsamkeit nach vorn stellt und nicht auf Gewohnheiten bzw. Automatismen aufbaut.

Die verwendeten 6 Techniken sind grundsätzlich dem WT entnommen. Die funktionellen Prinzipien dahinter ebenfalls. Dass es sich bei BlitzDefence für Anfänger nicht um die hohe Kunst eines philosophischen, spontanen, kreativen WT handelt, das geistesgegenwärtig „Sofort-Konzeptionen“ im Sinne von Prof. Tiwald erstellt und „Bewegungen des Augenblicks“ realisiert, handeln kann, versteht sich von selbst. Aber die blind-aggressiven Kettenfaust-Salven von dazumal, wo der vorangegangene Fauststoß der Grund für den nächsten ist und man nicht auf die Funktion schaut, sind auch noch nicht das wahre WingTsun. Beim BlitzDefence geht es in erster Linie um den Selbstschutz. Um ein WT, das das schnelle Sicherheitsbedürfnis von Anfängern erfüllt.

Ist es denn in erster Linie Sicherheit, was der Neuinteressent sucht, der in die EWTO-Schule kommt?

Ich denke, dass dies das vorherrschende Motiv ist, um sich mit WT zu beschäftigen. Wenn dieses berechtigte Bedürfnis erfüllt ist, gibt es andere Gründe, um weiterhin WT zu betreiben.

Was wären das für Gründe?

Eine asiatische Bewegungskunst, eine Philosophie in Bewegung zu erlernen, sich selbst auszudrücken, sich zu verwirklichen. WT bietet über die reine Selbstverteidigung hinaus so viele attraktive Möglichkeiten.

Könnte man sagen, dass das wahre WT erst nach dem BlitzDefence beginnt?

So wie man erst von der Kunst des Essens, vom Genießen und Feinschmecken sprechen kann, wenn es nicht mehr darum geht, dem Verhungern zu entgehen? Ja, vielleicht.
BlitzDefence will nicht mehr und nicht weniger sein als ein angewandtes und simplifiziertes WT für den Anfänger, der eine Abkürzung zur Selbstverteidigung sucht.

BlitzDefence ist nur eines der Unterrichtsprogramme, das Du den traditionellen Programmen zur Seite gestellt hast, wollen wir das nächste Mal über Deine weiteren Innovationen sprechen?

Sehr gern!

Fortsetzung des Interviews mit Markus Senft im Dezember …