Editorial

Meine Highlights 2015

Das Dezember-Editorial, das ich aus der WingTsun-Welt print übernommen habe, befasst sich in erster Linie mit meinen Highlights 2015. Unsere diesjährige Zeitschrift ist selbst eines dieser Highlights: Es ist die umfangreichste WingTsun-Welt, die es je in der nahezu 40-jährigen Geschichte der EWTO gab. Womit wir gleich beim nächsten bemerkenswerten Ereignis für alle EWTO-Mitglieder wären – dem Jubiläums-Lehrgang 2016. Es wird ein außergewöhnlicher Event und damit ein echtes Highlight in der Geschichte der EWTO werden. Superlative in allen erdenklichen Bereichen: was Teilnehmerzahl, Anzahl der teilnehmenden Meister und Großmeister, Unterrichtsvielfalt, Jubiläen und und und … angeht. Langeweile kann dort sicherlich nicht aufkommen!

Mir scheint, die meisten Menschen langweilen sich oder sie fühlen sich gehetzt. Dazwischen kennen sie nichts.
In der Eile macht man zu viele Fehler und muss dann noch einmal ganz von vorn beginnen. Also werde ich umso bedächtiger, je weniger Zeit ich habe. Ich langweile vielleicht andere, aber mich nie; denn ich lese bei jeder Gelegenheit und verlasse das Haus nie ohne Buch. Romane lese ich weniger – höchstens so außergewöhnliche wie „Das größere Wunder“ von Thomas Glavinic.
Mein Leben ist die EWTO und damit spannend und bunt wie ein Roman. 2015 war besonders spannend.
Manche der Highlights findet Ihr in dieser WingTsun-Welt:

Jon Bluming (82)

Kaicho Bluming – 10. Dan Oyama-Karate und 9. Dan Judo – zeigt mir und meinem Freund Bill Newman, dass man auch jenseits der 80 noch unterrichten und wirken kann. Wie ich nach all den WingTsun-Jahren wieder auf ihn stieß, will ich in einem späteren Buch gern ausführlich erzählen. Sein Sensei, Masutatsu Oyama, seinerzeit wohl der berühmteste Karatemeister, hatte selbst nicht nur japanisches Karate gelernt, sondern auch chinesisches KungFu, und zwar den Stil, mit dem ich schon Ende der 1960er Jahre in Berührung gekommen war. Außerdem hatte Kaicho Bluming in Japan eine kämpferische „Begegnung“ mit einem chinesischen Meister mehrerer innerer Stile, für den ich mich schon immer interessierte. Von GM Bluming, dieser größten noch lebenden und unbesiegten Karate und Judo-Legende konnte ich zudem viel über sportliches Kämpfen erfahren, denn er ist der Pionier der Mixed-Martial-Arts-Kämpfe. War er es doch, der hier in Europa und auch in Japan zuerst Judo, Karate, Kick- und Thaiboxen zu einem System des „Allround Fighting“ zusammenschnürte.
2016 wird Kaicho Bluming unsere EWTO-Mitglieder wieder in seinen hochwirksamen Bodenkampf-Techniken unterweisen – z.B. auf dem Internationalen Jubiläumslehrgang.

Gene LeBell (83)

Ihn respektiert Jon Bluming wie wohl kaum einen zweiten und gab ihm den 10. Dan auf seiner strengen „Allround Fighting“-Rangliste, bei der es nicht um Stilzugehörigkeit, sondern um echte Kampfstärke geht. Die beiden sind sich sehr ähnlich in ihren Anschauungen, was realistisches Kämpfen betrifft. Als ich Kaicho Bluming fragte, wen er im Grappling für – neben ihm natürlich! – den besten Lehrer hielte, empfahl er mir den großen Gene LeBell respektive Gokor Chivichyan.

Gokor Chivichyan – Genes Meisterschüler

So kam es, dass ich GM Oliver König und DaiSifu Thomas Schrön (zusätzlich zur Ausbildung durch Jon Bluming) zu Gene LeBell und insbesondere seinem Vertreter Gokor überwies, von denen sie nun in Los Angeles (USA) regelmäßig lernen. Wer WingTsun nicht nur als kunstvollen Kultur-Stil lernen will, sondern sich in jeder Situation verteidigen können möchte, sollte sich heutzutage auch mit dem Geschehen am Boden auseinandersetzen.

EWTO-Bachelor

Stolz bin ich auf unsere EWTO-Bachelor(s) der Universität Derby/Buxton. Sie sind das Holz, aus dem man in Plovdiv Magister und Doktoren schnitzt und in der Zukunft – wer weiß – Großmeister.

Dr. Oliver König

Mit dem 9. Grad ist Oliver König der dritte WT-Großmeister der EWTO nach mir und Giuseppe Schembri. Ebenso wie GM Schembri, der es bis zum Magister in Sportpädagogik gebracht hat, erfüllt Dr. König mit seiner Promotion in Sportpädagogik die akademischen Voraussetzungen, auf die ich mich in den 1990er Jahren mit meinem SiFu Leung Ting als notwendige Qualifikation für Großmeistergrade im WT geeinigt hatte. Ich wollte, man würde sich auch außerhalb der EWTO an solche Niveau sichernden Regularien halten. Dann wäre es außerhalb des EWTO-Territoriums und Europas um unseren chinesischen WT-Stil besser bestellt.

Fußtritte gegen den Kopf von Zu-Boden-Gegangenen

Sie werden endlich nicht nur von mir als eine tödliche Gefahr erkannt, die es vor den 1980er Jahren nicht gab! Bitte lest unser Buch von Karl „von der Küste“ Koch (Karl v. der Küste – Erinnerungen an den Kieler Kietz; 320 Seiten; 19,80 €; bestellbar über: www.ewto-shop.de). Der spricht aus echter Erfahrung. Schuld gebe ich der laxen Haltung von Gerichten und Behörden sowie den verrohenden Medien und dem Fußball (!) bzw. dem Verhalten mancher Fans. Wieweit die Ratschläge gewisser Theoretiker hier Sinn machen, muss jeder selbst beurteilen. Ich würde meinen Kopf auch oder gerade (!) am Boden zu schützen wissen und schnell aufstehen wollen.

Die 2. Auflage meines roten „Kursbuch: Inneres WingTsun“

Sie ist um über 60 Seiten angewachsen und stark verbessert und illustriert! Ich halte es neben „Die Essenz des Wing-Tsun“ für mein bisher bestes Buch.

„GM_Kernspechts Tweet-Buch“

Dieses Buch werde ich im Mai 2016 in Hockenheim vorlegen: mit meinen wegweisenden Tweets seit März 2012, aus denen sich die Evolution unseres WT chronologisch verfolgen lässt.

„Vom Zweikampf – revisited

Es ist ein weiteres Buchprojekt, das ich schon begonnen habe: eine kritische Auseinandersetzung und Einstufung meines größten Bestsellers, der für die weltweite Verbreitung von WingTsun (mit)verantwortlich war.

Die Transformation unseres WingTsun

Diese Transformation zu einem inneren System, was das Meisterprogramm angeht, ist in trockenen Tüchern! Zahlreiche Artikel sollen bei allen EWTO-Mitgliedern für ein breiteres Verständnis sorgen.
Das Innere WT unterscheidet sich nicht durch andere oder neue „Techniken“, sondern eher durch die Abwesenheit von einzustudierenden Techniken oder Bewegungsfolgen. Es geht prinzipiell ums Prinzip, ums Konzept, um die reine Funktion. Wie WT eigentlich sein sollte, beginnt man damit, sich selbst in Form zu bringen und eine Struktur und innere Maschine „zu entwickeln“, bevor man diese vereinte Innere Maschine mittels raffinierter Fußarbeit zu einem Partner bringt und mit ihm Kampfübungen übt. Das Wichtigste ist Konzentration, Achtsamkeit und Bewusstsein. Reine Muskelkraft ist nebensächlich. Wenige Beschäftigungen können ähnlich tiefe und anhaltende Befriedigung verschaffen und die Kampffähigkeit so sensationell erhöhen!
Ich danke all den großen chinesischen Meistern, die neun innere Kampf- und ChiGung-Systeme vorbehaltlos mit mir und unserer Tochter – wie mit echten Familienmitgliedern – teilen.

Auf das nächste, sicherlich noch spannendere EWTO-Jahr! Schließlich feiern wir 40 Jahre EWTO. Ich bin dabei! Ihr auch?!?

Euer SiFu/SiGung
Keith R. Kernspecht