Wissenswertes

Wing Chun beim Schleswig-Holstein Musik Festival

Am Samstag, 11. August hatte ich Gelegenheit Wing Chun nach dem Konzert „Martial Arts Trilogie, das in den Holstenhallen in Neumünster veranstaltet wurde, persönlich kennen zu lernen. Auf dieses Konzert war ich durch eine Mail von SiFu mit einem Link zu einem Artikel auf der „Welt online“ aufmerksam geworden. Der Artikel machte mich neugierig und ich beschloss nach ein paar weiteren Recherchen auf der Seite des Schleswig-Holstein Musik Festivals, nach Neumünster zu fahren.

Ich war gespannt auf das Konzert und auf Wing Chun, die laut des Artikels eine 20-jährige Violinistin sein sollte. Ob sie wohl auch irgendeine Verbindung zur Kampfkunst hat? Vielleicht konnte man das ja nach dem Konzert klären.

Der Artikel berichtete von zwei Teilnehmern aus dem Reich der Mitte, die ein Stipendium in der Orchesterakademie des Schleswig-Holstein Musik Festivals erhalten hatten. Insgesamt 107 Musiker aus aller Welt konnten sich in diesem Jahr einen der begehrten Plätze in der Orchesterakademie sichern. Ausgewählt wurden sie bei 35 weltweit veranstalteten Probespielen. Beworben hatten sich dazu insgesamt 1400 junge Musiker.

Yuwen Zhu (21) und Wing Chun Hui (20) machten sich auf den Weg in den deutschen Norden. Sie sind beide zum ersten Mal in Deutschland und im Nordkolleg in Rendsburg, wo der Orchesterakademie zahlreiche Räume für Unterkunft und Probenarbeit zur Verfügung stehen, untergebracht.

Laut dem Artikel definieren sie die Unterschiede zwischen ihrer Heimat und dem Gastland unterschiedlich: „Die Deutschen sind sehr vorsichtig. Sie haben immer alles unter Kontrolle, wollen hohe Qualität abliefern und effizient arbeiten“, sagt Yuwen. Wing Chun fügt hinzu: „Aber es gibt zu wenige Geschäfte in Deutschland und die Wege dorthin sind weit. Ich komme aus Hongkong. Das ist noch kleiner als Deutschland.“
„Die Chinesen sind immer in Eile“, sagt Yuwen angesprochen auf die Unterschiede zwischen Deutschen und Chinesen. „Die Deutschen machen sich morgens einen Plan und arbeiten den dann ab.“ Yuwen studiert in Shanghai, aber nicht etwa am Konservatorium, sondern an der Universität das Fach Medienwissenschaften. Wie sie es geschafft hat, trotzdem einen der begehrten Plätze in der Orchesterakademie zu ergattern: „Ich bin eben gut.“ Sie spiele bereits seit ihrem fünften Lebensjahr Geige, wolle dies aber nicht zu ihrem Beruf machen.
Wing Chuns Lebensplanung dagegen ist eindeutig der Musik untergeordnet: derzeit mit einem Studium für Violine und Klavier in Hongkong. Demnächst geht es zum weiteren Studium in die USA. „Ich würde sehr gern auch in Deutschland studieren. Dieses Land hat weltweit musikalisch einen so großen Einfluss, und es gibt so viele wunderbare Orchester hier.“
Wie sich deutsches von chinesischem Familienleben unterscheidet – bei dieser Frage müssen Yuwen und Wing Chun passen. Kontakte zu deutschen Familien hatten sie noch nicht. Yuwen hat sich allerdings fest vorgenommen, ihren Bogenmacher zu treffen. Der stammt aus Süddeutschland. Vorher steht allerdings noch ein Berlin-Besuch an. Dort ist das Festival-Orchester zu einem Auftritt eingeladen. „Wir freuen uns alle schon sehr darauf, eure Hauptstadt kennen zu lernen.“

Mit diesen Vorinformationen und meiner ausgedruckten E-Mail vom Pressezentrum des Schleswig-Holstein Musik Festivals, mit der ich eine provisorische Fotografiererlaubnis in Händen hielt, fuhr ich nach Neumünster. Dort traf ich in den Holstenhallen schließlich Herrn Jörg Plagmann, der mich zunächst kurz darüber instruierte, wo ich mich aufhalten durfte und was ich beim Fotografieren beachten musste. Dann hatte ich die Möglichkeit, mir die Halle anzusehen, um mir ein geeignetes Plätzchen zum Fotografieren zu suchen.

Das Konzert mit rund 2000 Besuchern in den Holstenhallen begann um 20 Uhr. Die Teilnehmer der Orchesterakademie nahmen ihre Plätze ein und der Komponist und Dirigent des Abends, Tan Dun, betrat das Podium. Er entfachte mit dem ersten Teil seiner Martial-Arts-Trilogie ein Feuerwerk der Töne, das zur Untermalung von zugehörigen Filmszenen aus dem Film „Hero“ auf einer großen Leinwand begleitet wurde. Ab und zu wurden Großaufnahmen des Dirigenten und der Solistin ein geblendet. Die Zeit bis zur Pause verging wie im Fluge. Es war fantastisch.

In der Pause ergab sich leider keine Gelegenheit mit Wing Chun zu sprechen. Aber ich bekam von Herrn Plagmann in Aussicht gestellt, nach dem Konzert in seiner Begleitung mit in die Garderoben gehen zu dürfen. Schnell notierte ich mir ein paar Fragen, die ich der jungen Violinistin Wing Chun stellen wollte.

Der zweite Teil des Konzerts begann mit der Musik zum Film „Crouching Tiger“ und endete nach einer kurzen Umbaupause mit Tan Duns Komposition zu „The Banquet“. Das Ganze wurde wieder mit furiosen Bildern aus den jeweiligen Filmen untermalt.

Das Publikum war begeistert und hätte, so wie ich, sicher noch stundenlang weiter zuhören und -sehen können. Nichtsdestotrotz leerte sich die Halle, nachdem Dirigent, Solist und Orchester die Bühne endgültig verlassen hatten und backstage verschwunden waren, in Nullkommanichts, und ich stand in einer leeren Halle. Ruckzuck begann der Bühnenabbau.

Aber Herr Plagmann tauchte auf und hielt Wort. Ich wurde an Judith Schlosser, die Orchester-Betreuerin, weitervermittelt. „Ich würde gern kurz mit der jungen Violinistin Wing Chun sprechen“, teilte ich ihr mit und erläuterte kurz, dass ich im Kampfkunstverband EWTO – Europäische WingTsun Organisation – sei, deren Name auf „wing chun“ zurückgehe. Zu meiner großen Verwunderung kam von ihr nur: „Wing Chun Hui ist ein Mann!“ „Aber in dem Artikel steht doch, sie sei eine Frau.“ „Das ist definitiv falsch!“, verschwand und stand wenige Minuten später mit einem jungen Mann vor mir, den sie als Wing Chun Hui vorstellte.

Da der Bus für die Abfahrt nach Rendsburg schon bereit stand, blieb uns nicht viel Zeit für ein Interview. Deshalb stellte ich ihm die brennendste Frage zuerst: „Haben Sie etwas mit Kampfkunst zu tun?“ „Nein, ich betreibe keine Kampfkunst. Das geht bei meinem Studium nicht. Aber ich schaue gerne zu.“ Leider ist sein Terminkalender während seines Deutschlandaufenthalts so voll, dass es wohl nicht mit einem Besuch in einer WingTsun-Schule klappen könnte.

Die Zeit reichte dann gerade noch für ein Foto: Wing Chun (links) beim Schleswig-Holstein Musik Festival mit dem Komponisten und Dirigenten Tan Dun.

Text und Fotos: hm
 

Quellen:
Welt online
Orchester-Betreuerin Judith Schlosser
www.shmf.de