WingTsun

Achtsamkeit • Aufmerksamkeit • Ablenkung – was es zu beachten gilt

Die Achtsamkeit ist eine der sieben großen Fähigkeiten, die wir auf unserem Weg zum Meister ausbilden müssen. Warum eigentlich? Hier verraten wir euch einige Dinge, die für die Achtsamkeit sprechen.

Zunächst einmal, Achtsamkeit ist nicht gleich Aufmerksamkeit. Achtsamkeit setzt sich aus vier Elementen zusammen, die einander überlappen:

  • Bewusste Selbstlenkung der Aufmerksamkeit, die für uns dann Achtsamkeit heißt.
  • Ich kann meine Aufmerksamkeit richten, auf was ich möchte, d.h. ich lenke sie selbst, und bin mir dessen auch bewusst.
  • Die Achtsamkeit richtet sich auf den sich ständig verändernden Moment.
  • Dieses Erleben des Augenblicks wird ohne Kritik und Ablehnung akzeptiert.
  • Durch Einführen eines inneren Beobachters identifiziert man sich nicht mehr mit dem Geschehen. Aggression und Wut können uns nicht mehr beherrschen.

Der Begriff Aufmerksamkeit spielt außerdem eine Rolle beim menschlichen Bewegen, das eine Einheit von drei Arten des Bewegens ist und die es in Einklang zu bringen gilt:

  1. Bewegen der Aufmerksamkeit
  2. Bewegen des Denkens
    Die Angriffsfrage des Gegners kann sofort von mir verstanden werden und ich habe eine passende Antwort parat.
  3. Bewegen des Körpers
    Mein Körper bewegt sich so, wie ich es mir denke, weil ich es mir denke. Die Bewegung ist mir also während der Ausführung bewusst.
Achtsamkeit steckt im Formentraining.

Wir sehen also, dass die Aufmerksamkeit nur einen kleinen Teil unserer Achtsamkeit ausmacht.
 

Übungen für die Achtsamkeit

Durch verschiedene Übungen kann ich meine Achtsamkeit und meine Bewegungsarten trainieren. Tatsächlich werden sie gut mit den klassischen Soloformen des WT entwickelt. Dabei muss aber darauf geachtet werden, dass man die Formen nicht automatisch abspult. Auch BlitzDefence-Übungen sind perfekt zur Ausprägung von Achtsamkeit geeignet.

Der Vorteil der Soloformen: Keiner „stört“ mich beim Üben. Wenn ich einen Satz aus der Form übe, kann ich diesen mit geschlossenen Augen ausführen. Ich sollte dabei die Bewegung vor meinem inneren Auge wahrnehmen und die Ausführungen variieren. Wichtig sind hierbei zwei Punkte:

  1. Die Bewegungen werden langsam und mit Bedacht ausgeführt.
  2. Ich kenne die Bewegungsmuster. Sie sind mir also vertraut.

Durch das Wahrnehmen der Muskelgefühle trainieren wir unsere Achtsamkeit auf den eigenen Körper, können also eigene Fehler besser erkennen und beheben. Das Praktische daran ist, dass unser WingTsun unvermeidlich verbessert wird.

Vor allem im Kampf ist Achtsamkeit gefragt.

Aber auch im Kampf bietet die Achtsamkeit einige Vorteile. Beispielsweise wirkt der „Stress-Cocktail“ der Gefahrensituation weniger ablenkend auf uns. Durch unsere Achtsamkeit sind wir im Hier und Jetzt, lassen uns durch Störfaktoren nicht mehr ablenken.

Unsere Antwort ist zudem optimal auf den Gegner und seine „Bewegungs-Frage“ angepasst. Dadurch, dass ich durch meine Achtsamkeit die Ablenkung als Gefahrenquelle ausschalte und möglicherweise die Ablenkung beim Gegner als Vorteil für mich nutze, kann ich viele brenzlige Situationen zu meinen Gunsten beeinflussen.

Durch eine gut trainierte Achtsamkeit kann ich Gefahrensituationen meist schon komplett aus dem Wege gehen.

Wenn eine Gruppe pöbelnder Leute auf meiner Straßenseite herumlungert, dann wechsle ich einfach die Straßenseite. In dem Fall gehe ich einer Gefahrensituation im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Weg. Es geht ja nicht darum, zu beweisen, wie großartig ich bin, sondern wie ich heil nach Hause komme.

Denkt daran: Ein vermiedener Kampf ist ein gewonnener Kampf! Und beim Gewinnen hilft immer eine Portion Achtsamkeit.

Text: Sadek Radde/hm
Fotos: mg