BlitzDefence

Projekt „Blitzdefence zur Präventation von Gewalttaten“

Das Aufgabengebiet von Dieter Heusel umfasst unter anderem den Bereich „Innere Sicherheit" und „Mobile Jugendarbeit", hier liegen die Schwerpunkte bei Präventation von Gewalttaten und Vandalismus durch Jugendliche und der Zusammenarbeit und Koordination mit der Polizeidirektion bei Straftaten von Jugendlichen und Kindern. Je nach Schwere der Straftat erfolgt eine Abwägung, in wieweit die Betroffenen verurteilt werden oder gemeinnützige Arbeit leisten sollen. Weitere Aufgaben sind die Vermittlung der subjektiven Sicherheit im Bereich Innenstadt auch für Frauen (z.B. nächtliche Streifengänge) und allgemeine Überwachungen.

Ziel des Projektes war, mehr Sicherheit und Souveränität im Auftreten gegenüber gewaltbereiten Jugendlichen und Randalieren zu erreichen, bessere Möglichkeiten der Deeskalation zu finden und im Ernstfall schnelles und sicheres Klären von Gewaltsituationen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben zu gewährleisten. Die Dauer des Projektes war auf 10-12 Stunden intensiven Einzelunterrichts festgelegt mit anschließender Erfolgskontrolle im WT-Gruppenunterricht (z.B. unter Stress setzen im Rollenspiel , Verhalten bei mehren potentiellen Angreifern, etc.).

Dieter Heusel ist seit mehr als zwei Jahren in diesem Aufgabenbereich für die Stadt erfolgreich tätig, hatte in diesem Zusammenhang auch schon mehrere körperliche Auseinandersetzungen. In seiner Jugend war er kurzeitig Ringer. Vor acht Jahren begann er mit WT und musste dann aber nach dem Erreichen des 4.SG aus zeitlichen Gründen das Training wieder aufgeben. Angeregt durch das Buch „BlitzDefence" von Großmeister Keith R. Kernspecht entstand beim Ordnungsamt Michelstadt die Idee, für Dieter Heusel eine Fortbildungsmaßnahme im Bereich Sicherheit zu unterstützen. Die Stadt beauftragte Susanne Rösinger, 2. TG WT, als Gruppenleiterin der WT-Schule Erbach/Michelstadt (Schulleiter Sifu Siegfried Altmayer, 5. PG WT) Dieter Heusel ca 10-12 Stunden in den BlitzDefence-Programmen zu unterrichten und das Gelernte in zweimal wöchentlichem WT-Gruppenutnerricht innerhalb eines Jahres zu fundieren.
Susanne Rösingers Anliegen war es nicht, mit Dieter Heusel während dieser Zeit möglichst viele Techniken zu erarbeiten, sondern auf den Grundlagen seines Wissens bis zum 4. SG aufzubauen und ihm die Grundtechniken der BD-Programme 1-4 zu vermitteln. Besonderen Wert legte sie auf die Kenntnisse der Vorkampfphase, Gefühl für die richtige Distanz, Positionierung, Körpersprache und insbesondere die Möglichkeiten der Deeskalation. Beruhigend und vermittelnd zu wirken und trotzdem zu zeigen: „Hallo Jungs, das geht so nicht, bis hierhin und nicht weiter!". Dieter Heusel brachte durch seine Arbeit mit Jugendlichen hervorragende Voraussetzungen mit – ein ausgesprochen gutes Gefühl dafür, wann Situationen kritisch werden und wie Gewalttätigkeit eventuell noch vermieden werden kann oder wann sofort eingegriffen werden muss.

Die erste Unterrichtsstunde

Zu Beginn des Projektes sah Dieter Heusel das vorrangigste gefährliche Problem darin, dass in manchen Situationen Pöbler und potentielle Unruhestifter viel zu schnell in seine persönliche Nahdistanz kommen. Normalerweise versucht er, wenn er Leute anspricht oder auf eine Gruppe Jugendlicher zugeht, außerhalb der Trittdistanz zu bleiben, aber mehrmals hatte er erlebt, dass bestimmte Typen mit typisch provozierender Geste (Arme nach unten, Brust raus) aggressiv auf ihn zuliefen und mitunter auch sofort eine „Kopfnuss" geben wollten, also viel zu schnell sehr nah an ihn herankommen.

Aus diesem Grund wurde zuerst das Erkennen der verschiedenen Distanzen geübt: Ab Erreichen der Trittdistanz sofort ein Bein vorsetzen und die Arme in eine Position vor den Körper nehmen, aus der sofort jede Verteidigung möglich ist und trotzdem mittels Körpersprache noch beruhigend auf das Gegenüber eingewirkt werden kann. Es stellte sich heraus, dass Dieter die Angewohnheit hatte, meistens die Arme nach unten hängen zu lassen, wenn er Leute ansprach. Schnell wurde klar, dass er aus dieser Position keinerlei Chance haben würde, einen Angriff rechtzeitig abzuwehren. Mit nach vorne orientierten Armen kann er den Pöbler, wenn nötig, sofort mit einem kräftigem Handflächenstoß wegschubsen oder auch nur an Schulter und Oberarmen zu kontrollieren. Kommt der potentielle Angreifer extrem schnell auf ihn zu, kann er ihn auch ins Leere laufen lassen. Dieter fand nach einigem Üben diese Möglichkeiten für ihn als praktikabel. Wichtig war ihm, dass der Angreifer keine Gelegenheit haben durfte, um einen Kopfstoß auszuführen. Ein wesentlicher Bestandteil der Übungen war, den potentiellen Unruhestifter mit einer guten eigenen Verteidigungspositionierung verbal abzulenken und beruhigend auf ihn einzuwirken. In dieser Zeit sollte Dieter versuchen, mit einem Arm (Man Sao) beide Arme des Gegners zu kontrollieren, und die verdeckte Schlaghand (für Dieter rechts) bereit zu halten, ohne dass der Gegner merkt, was eigentlich los ist.

Praktische Umsetzung

Im weiteren Verlauf des Projektes wurden weitere typische Eingangssituationen analysiert und entsprechende Reaktionen erarbeitet. Wichtiger Aspekt blieb aber stets, zu versuchen, die Situation im Stadium der verbalen Auseinandersetzung zu klären. Nur zum eigenen Schutz und auch für das Sicherheitsgefühl sollte Dieter die entsprechenen Techniken erlernen, um in einer Notwehrsituation gewappnet zu sein.

Besonders begeistert zeigte sich Dieter, als er feststellen konnte, wieviel mehr „Power" er duch den „Falling Step" in seinen Schlag bringen konnte.
Prompt hatte Dieter kurz nach der Stunde bereits die Gelegenheit, das Gelernte anzuwenden: Als er einen falsch geparkten PKW in der Innenstadt abschleppen lassen wollte, erschien der Fahrzeugbesitzer mit einigen Freunden. Angestachelt durch die Freunde näherte er sich Dieter und wollte ihn am Kragen packen. Sofort nahm Dieter seine Hände vor und schritt an die rechte Seite des in Rechtsauslage stehenden Mannes und konnte ihn so sicher kontrollieren. Für die Zeugen hatte er eine beruhigende Position eingenommen und dem Gastwirt beschwichtigend auf den Arm geklopft. Dieser hatte gleich verstanden, dass er in der schlechteren Lage war. Die Situation konnte nun geklärt werden, ohne dass es zu Handgreiflichkeiten kam.

Ein wichtiger Bestandteil des Unterrichts waren auch die Gespräche über Themen wie „Angst", „Angstkontrolle", „Adrenalineffekt". In bestimmten Situationen ist es Dieter schon „mulmig" zu Mute. Beispiel: Mitten in der Nacht kontrollierte er eine Gruppe Jugendlicher, die im Stadtgarten feiern. Zielsicher sprach er den Anführer an, dass er die Ausweise sehen wolle und sie, wenn sie nachher alles ordentlich aufräumen würden, noch weiter feiern könnten. Eine derartige Situationen könnte leicht eskalieren und vorallem hinterher merkt Dieter die Auswirkungen des Adrenalineffektes: Weiche Knie, Händezittern. Zuerst schämte sich Dieter für diese Reaktionen als Merkmale von „Angst". Susanne Rösinger konnte ihm ausführlich die Vorgänge erklären, die in seinem Körper bei einer Angst-/ Stresssituation ablaufen: Adrenalinauschüttung, Freisetzung von Nebennierenrindenhormonen und die Auswirkungen auf den Körper (Flucht oder Kampf).

Aus aktuellem Anlass

Einige Male griffen Susanne und Dieter Problemsituationen aus aktuellem Anlass auf. So beschäftigten sie sich intensiv mit der Waffenabwehr, nachdem drei Jugendliche einem Mann in einer Tiefgarage die Geldbörse abnehmen wollten, wobei einer von ihnen mit einem Messer drohte. Die Übeltäter hatten allerdings in diesem Fall Pech gehabt, denn sie waren an einen Kampfsportler mit langjähriger Wettkampferfahrung geraten, der sie entwaffnen und in die Flucht schlagen konnte.
Die Bedrohung mit Waffen nimmt zunehmende Ausmaße an. Deswegen wird das richtige Verhalten gegenüber einem Angreifer mit Messer, Stock oder Baseballschläger immer bedeutender.

Dieter blieb während der ersten Übungen zwar instinktiv außerhalb der Reichweite des Messers, machte aber einen weitverbreiteten und gefährlichen Fehler, indem er das Messer mit einem Fußtritt abwehren wollte und die Hände in Reichweite der Waffe hielt, und beim Gegenangriff häufig ins (Gummi-)Messer lief.
Es war von vorneherein klar, dass es unmöglich ist, in wenigen Stunden zu lernen, einen Messerangriff sicher abzuwehren. Wichtig war Susanne vor allem das Verständnis der Gefährlichkeit der Situation.

Bezug zur alltäglichen Arbeit

Immer wieder besprachen die beiden Konfliktsituationen, die Dieter im Laufe seiner Arbeit bereits erlebt hatte, um daraus erfolgreiche Verhaltensstrategien ableiten oder Fehler zu analysieren und Alternativen aufzeigen zu können. So hatte Dieter einmal während eines großen Frühlingsfestes Dienst im Marktbüro und es bahnte sich ein Konflikt zwischen mehreren Jugendlichen an. Zwei waren in Streit geraten und jeder der beiden hatte eine Gruppe von fünf bis sechs Personen hinter sich. Um den Streit zu schlichten, näherte sich Dieter demjenigen, vor dem die anderen am meisten Respekt hatten. Da dieser in Rechtsauslegerposition dastand, positionierte sich Dieter an seiner rechten Seite und versuchte, ihn zu beruhigen. Als dieser trotzdem versuchte, Dieser unvermittelt anzugreifen, konnte Dieter seinen rechten Arm mit dem linken Hand kontrollieren und ihn mit einem rechten Fauststoß zu Boden schlagen. Zum Glück kam dem zu Boden Geschlagenen keiner der Umstehenden zu Hilfe und Dieter konnte seinen Gegner ins Marktbüro in Gewahrsam nehmen. Die schnelle Reaktion und das kompromisslose Zuschlagen waren in diesem Fall ungeheuer wichtig, da er so den anderen den Wind aus den Segeln nahm.

In der späteren Analyse zeigte sich, dass es beim Kampf gegen mehrere Angreifer gefährlich werden könnte, mitten in die Gruppe rein zu gehen, da leicht ein unbemerkter Angriff von hinten oder von der Seite erfolgen könnte.

Während des WT-Gruppenunterrichts konnte Dieter die Taktik und Positionierung gegen mehrere Angreifer üben, die schon die 10. Prüfung bestanden hatten, beziehungsweise sich darauf vorbereiten. Dieter erkannte schnell, wie wichtig die richtige Positionierung ist und dass keine Zeit ist, lange darüber nachzudenken, was jetzt zu tun ist.

Fazit nach einem Jahr

Zum Ende des einjährigen Projektes konnten Susanne Rösinger und Dieter Heisel in einer Schlussbesprechung mit dem Ordnungsamt ein Fazit zum BlitzDefence-Unterricht als Mittel der Gewaltprävention ziehen. Anhand des Protokolls der Übungsstunden und der geschilderten realen Konfliktsituationen von Dieter als Angestellter des Ordnungsamtes für die Bereiche „Innere Sicherheit" und „Mobile Jugendarbeit" konnte Susanne aufzeigen, dass es möglich ist mit, Hilfe von BlitzDefence innerhalb von wenigen Übungsstunden das Gefahrenpotential der gefährlichen Arbeit vor Ort erheblich herabzusetzen.
Vorteil von BlitzDefence ist, dass eingehend behandelt wird, was sich vor einem Kampf abspielt: Körpersprache, non-verbale Kommunikation zwischen den Konfliktparteien, der Einfluss des eigenen Ego, der Einfluss den Zuschauer und Freunde der Beteiligten ausüben. Diese Informationen führen zu einem wesentlich besserem Verständnis und rechtzeitigem Erkennen von potentiellen Gewaltsituationen und dadurch zu einer verbesserten Möglichkeit der Deeskalation. Durch ein ruhiges selbstbewusstes, nicht aggressives Auftreten ist es möglich, viele Konfliktsituationen zu entschärfen. Sicheres Auftreten ist allerdings erst möglich, wenn man auch einigermaßen sicher fühlt, das heißt, man muss sicher sein, die Situation auch im Falle eines körperlichen Angriffs unter Kontrolle zu bekommen.

Einer der wichtigsten Aspekte des BlitzDefence-Programmes überhaupt ist die richtige Positionierung zu einem gewaltbereiten Gegenüber.

Ein weiterer großer Vorteil von BlitzDefence ist, dass der Schüler nur sehr wenige Techniken lernen muss. Wenn jemand schon gewisse Grundkenntnisse in Selbstverteidigungstechniken besitzt, kann er sich in sehr kurzer Übungszeit ein wesentlich sicheres Vorgehen in potentiellen Gewaltsituationen aneignen.
BlitzDefence ist also nicht nur für den normalen WT-Unterricht geeignet, Schüler verteidigungsfähig zu machen, sondern es ist eine hervorragende Anleitung für alle, deren Aufgabe es ist, in Gewaltsituationen bei größtmöglicher Sicherheit überlegt und angemessen zu handeln und so weit irgend möglich den Konflikt zu entschärfen.

Dieter Heisel erkannte durch die Schulung in den BlitzDefence-Programmen, dass der eigentliche Kampf als Vorkampf stattfindet, und es, wenn man diesen gewinnt, zu gar keiner gewalttätigen Auseinandersetzung kommt. Er konnte feststellen, dass er durch den Lernprozess viel sicherer geworden ist und dadurch im Umgang mit Pöblern und Gruppen Jugendlicher, die durchaus ein gewisses Gewaltpotential haben können, viel souveräner und gelassener auftreten kann.