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Ein vermiedener Kampf ist ein gewonnener Kampf – aber kann man jeden Kampf vermeiden?

Die Antwort ist leider: Nein! Wir können zwar mit offenen Augen durch die Welt laufen. Mit Achtsamkeit vielen Konflikten aus dem Weg gehen, aber nicht jeder Konflikt kündigt sich im Voraus an. Die Rede ist von einem Überfall oder einem Überraschungsangriff. Wie wir dennoch gekonnt solche Situationen lösen können und worin der Unterschied zu einer „normalen“ Auseinandersetzung besteht, verraten wir euch im Folgenden.

Im Gegensatz zu einem Ritualkampf, fallen bei einem Überraschungsangriff die „vorbereitenden“ Phasen weg. Es kommt sofort zu einer körperlichen Auseinandersetzung. Wenn ihr beispielsweise von hinten einen Stoß oder Schubser erhaltet, wisst ihr nicht, ob es sich um ein Versehen oder um Absicht gehandelt hat.

Ein Überraschungsangriff kündigt sich nicht an – gute Reflexe sind daher wichtig.

Es könnte sein, dass ihr euch umdreht und direkt einen Schlag abbekommt. Auf so etwas vorbereitet zu sein, benötigt viel Übung und das Einpflanzen von reflexartigen Reaktionen, die uns vor größerem Schaden bewahren können.

Das sogenannte FrightReaction-Programm bereitet vor allem die Anfänger auf solche Situationen gezielt vor. In jedem Menschen ist der Instinkt verankert, seine Arme und Hände hochzureißen, um sich vor einem nahenden Schlag zu schützen. Diesen Instinkt machen wir uns zunutze. Betrachten wir ein Beispiel:

Ihr steht an einer Straßenecke und wartet auf einen Freund. Auf einmal erhaltet ihr einen Stoß in den Rücken, wollt euch umdrehen und habt auch schon die erste Ohrfeige gefangen. Vielleicht hattet genau ihr das Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort dem falschen Typen begegnet zu sein, der einfach ein bisschen Dampf ablassen will.

Gewöhnt euch deshalb an, einen Stoß mit einem Schritt auszugleichen, sodass ihr nicht stürzt. Gleichzeitig solltet ihr euch so drehen, dass ihr den möglichen Angreifer im Blick habt. Bringt auch eure Hände an den Kopf und zwar folgendermaßen:

Die Handflächen haben Kontakt zum Hinterkopf. Der Ellbogen eines Arms zeigt in die Richtung, aus der der Stoß kam. Der andere Ellbogen zeigt in die entgegengesetzte Richtung. Ein bisschen so, als ob ihr am Strand liegt und entspannt.

Sollte der Angreifer nun nachsetzen, so läuft er entweder direkt in den Ellbogen oder ihr könnt mit eurem Arm den kommenden Schlag abfangen.

Und wenn gar kein Angriff erfolgt, sondern es nur ein Versehen war, habt ihr nichts verloren.

Der sog. Sucker Punch lässt dem Opfer keine Zeit zur Vorbereitung.

Wichtig ist, dass wir uns nie wirklich auf solche Situationen vorbereiten können. Das kann jederzeit passieren.

Stolpert etwa jemand im Café über unsere Füße, während wir ein Buch lesen, so kann das schon Grund für einen uns überraschenden Schubser oder Stoß sein.

Etwas anderes wäre ein bewusst gegen uns eingesetzter Sucker Punch. Auch er ist ein überraschender Angriff, der womöglich aus dem Nichts oder nachdem sich der Angreifer vermeintlich von euch abwendete, erfolgen kann.
Jedoch auf beides müssen wir angemessen reagieren.

Wenn wir immer wieder üben, vermindern wir das Risiko schwer verletzt zu werden, aber dennoch gilt:

Vorsicht ist besser als Nachsicht.
 

Text: Sadek Radde
Fotos: mg