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Wenn Blicke töten könn(t)en – der Blickkontakt im Ritualkampf

In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit der ersten Phase im Ritualkampf – dem Blick des Gegners. Um in einen Konflikt zu geraten, gibt es verschiedene Gründe. Manchmal reicht da schon ein vermeintlich schiefer Blick.

Natürlich können Blicke an sich nicht töten – jedenfalls nicht direkt. Aber ein Blick von uns, der zufällig den eines streitlustigen Kneipenbesucher kreuzt, kann diesen schon dazu anregen, anschließend mehr als nur Worte zu verteilen.

Erwiderter Blickkontakt läutet den Ritualkampf ein.

Solche potenziellen Täter visieren zunächst ihr auserkorenes Opfer an und checken es ab. Wird der Blick erwidert und der Täter kann sich somit provoziert fühlen, geht es unverzüglich in die zweite Runde des Ritualkampfs. Dahin sollte es aber gar nicht erst kommen. Also schalten wir unseren Gefahrenradar an, denn unsere Achtsamkeit meldete uns eine brenzlige Situation.

Andere Situationen, in denen wir einen direkten Blickkontakt meiden sollten, wären: eine dunkle Gasse entlangzugehen, während uns jemand entgegenkommt oder wir sitzen in der Straßenbahn und eine Gruppe pöbelnder Jugendlicher steigt ein.
In jedem Fall sollten wir achtsam sein, aber keinesfalls wie hypnotisierte Kaninchen hinstarren. Das würde eindeutig als Provokation (ähnlich wie in der Tierwelt) aufgefasst werden.

Aber wir sollten auch auf keinen Fall ins Gegenteil verfallen und anfangen, unsere Schnürsenkel zu mustern oder uns zu fragen, ob wir vielleicht Dreck an den Schuhspitzen haben.

Nach unten zu schauen und somit in eine unterwürfige Haltung zu verfallen, vor demjenigen, der uns mit seinem Blick provoziert, ist keine gute Lösung. Das würde uns ebenfalls als Opfer qualifizieren.

Besser: Nach einer kurzen „Registrierung“– den Blick dabei auf die Stirn des Gegners richten –blicken wir seitlich weg. Allerdings so, dass wir unseren Gegner noch im Blickfeld haben.

Entschlossene Haltung vermittelt Selbstbewusstsein.

Mit unserer Haltung und Mimik signalisieren wir zusätzlich dem Möchte-gern-Krawallbruder, dass wir mit einer möglichen Bedrohungslage souverän umgehen können. Wir vermitteln unserem Gegenüber, dass wir kein Opfer sind. und keine leichte Beute sein werden.

Da wir nicht nach Auseinandersetzungen suchen, vermeiden wir von vornherein achtsam solche Situationen. Klappt das einmal nicht, reagieren wir umsichtig und bewusst auf die Provokationen unseres Gegners. Unser Handeln lassen wir von Sun Tzu bestimmen: „Wahrhaft siegt der, der nicht kämpft.“

Wie das gehen kann, lernt ihr im WingTsun-Unterricht. Dort werden eure Aufmerksamkeit und Achtsamkeit geschult und ihr erfahrt, wie ihr gezielt mit „tötenden“ Blicken und ihrem Sender umgehen könnt.
 

Werft einmal einen Blick ins Training…
 

Text: Sadek Radde/hm
Fotos: mg