Escrima

Die Quelle meiner Kraft

In schwierigen Lebenslagen und Situationen brauchte ich Selbstvertrauen und Kraft. Ich stand vor großen Herausforderungen und traf Entscheidungen, die mein Leben veränderten. Escrima war und ist der treueste Begleiter.

Ich kam durch meine Zivilcourage zum Escrima. Als ich 15 Jahre alt war, wurde mein Freund von einem stadtbekannten Schläger regelmäßig verprügelt. Ich zeigte den Schläger an und musste, da er in Jugendarrest ging, mich entsprechend vor einer Rache der Familie schützen. Ich wollte mir sicher sein, dass ich auf alles vorbereitet bin. Ich wusste, dass es eine Kampfkunstschule in meiner Nähe gab. Ich wollte unbedingt Escrima lernen und hatte von der ersten Sekunde an ein starkes Interesse an den an der Wand hängenden Macheten. Escrima wurde in der Kampfkunstschule Wesel allerdings erst ab dem sechzehnten Lebensjahr unterrichtet, also begann ich zunächst mit dem WingTsun-Training. Kaum war ich sechzehn geworden, begann ich mit dem Escrima. Ich war stolz, als Jüngster und zugegebenermaßen Schmächtigster mit großen und kräftigen Partnern zu trainieren. So war 1996 geprägt von zerschlagenen Rattanstöcken, Schweiß, Blasen an den Händen, Verletzungen an Fingern, die eine oder andere blutige Lippe usw. Als junge Escrimadores waren wir seltsamerweise stolz auf kleine Verletzungen.

Vorbilder
Ich liebte die Atmosphäre, die in unserer Schule herrschte. Eine Atmosphäre der harten und ehrlichen Arbeit. Mein Lehrer Stefan Tebbe war zur damaligen Zeit mein großes Vorbild. Er begeisterte mich durch seinen Enthusiasmus und mit den Geschichten von Master Bill. Durch ihn kam ich zum Escrima und fand meinen Begleiter fürs Leben. Ohne seine Begeisterungsfähigkeit, Zuspruch und Motivation würde ich dies hier nicht schreiben können.
Die ersten vier Schülergradprogramme absolvierte ich bei Master Bill. Die Lehrgänge, die sechs Stunden dauerten, bedeuteten mir viel. Großmeister Bill Newman legte starken Wert auf die Genauigkeit der Bewegungen und die richtige Einstellung. Hochmotiviert von den Lehrgängen, die in Mühlheim an der Ruhr stattfanden, trainierte ich jeden Tag in meinem Zimmer, lass die Artikel der WingTsun-Welt und traf mich mit meinen Trainingspartnern. Es ging in der Zeit darum, wer in einem Kampf der bessere ist. Unser Training war im Grunde Stockkampf mit entsprechenden Folgen, wie z.B. blauen Flecken, Prellungen und vielen Beulen. Ich machte zusammen mit meinem Lehrer Vorführungen und war vollkommen zufrieden. Stefan entschloss sich letztlich dazu, sich voll und ganz auf das WingTsun zu konzentrieren und übertrug die Verantwortung auf die höchsten Escrimaschüler. Es war nicht mehr das Training, das ich kannte. Ohne Stefan und seine Art fehlte etwas im Training. Die Dinge begannen sich zu verändern. Schließlich mussten auch diese Kameraden aus privaten Gründen die Leitung der Escrima-Gruppe abgeben und ich übernahm diese. Ich fühlte mich unglaublich geehrt und nahm die Aufgabe entsprechend ernst. Schließlich vertrat ich das Escrima in Wesel.
Wir waren nur eine kleine Gruppe, was mich allerdings nicht störte. Man war auf gewisse Weise ein Exot in der Weseler Schule. Wir trainierten oft zu zweit oder zu dritt. Mein Feuer für das Escrima konnte nicht gelöscht werden. Mit der Zeit verlor ich alle Möglichkeiten, selbst Unterricht zu bekommen und erfuhr dann schließlich, dass René Latosa und die EWTO getrennte Wege gehen. Ich gab mein Bestes und war nach einer sehr langen unterrichtslosen Zeit, kurz davor mein Escrima doch noch einzustellen. Genau in dieser Zeit traf ich Thomas Theren. Bereits beim ersten Training stellte ich fest, dass ich im Escrima, wie Großmeister Bill Newman es vertritt, das gefunden hatte, was ich immer suchte. Thomas war wie mein erster Lehrer in der Lage, mich zu motivieren. Ich fuhr am Abend mit dem Zug zum Training und in den frühen Morgenstunden zurück. So verbrachte ich, da mein Zug sich oft verspätet Stunden auf dem Kölner Bahnhof. Mein Kaffee, die Erfahrungen aus dem Unterricht und Schreibmaterial, um alles Neue festzuhalten, waren alles, was ich brauchte. Thomas berichtete mir von Lehrgängen mit Großmeister Bill und Bernd Hoyer. Für ihn steht die Funktionalität an erster Stelle und seine Authentizität beeindruckt mich bis zu heutigem Tage. Er schaffte es nicht nur, mein Feuer für das Escrima neu zu entfachen sondern motivierte mich in einem mir nicht bekannten Maße. Ich brauchte eigentlich nichts weiter als Escrima. Dies schlug sich auch in anderen Bereichen nieder. Ich investierte, im wahrsten Sinne des Wortes, mein letztes Geld in Stöcke, Macheten, Unterricht, Lehrgänge und das Standardwerk des Escrima. Im Rückblick kann ich sagen, dass Escrima es mir doppelt und dreifach zurückzahlt.

Quellen der Kraft
Durch das EWTO-Escrima und durch meinen jetzigen Lehrer Thomas Theren habe ich ein Werkzeug und einen Weg gefunden, meine Schwächen zu erkennen, mein Handeln auf Funktionalität zu überprüfen und hart an mir zu arbeiten. Rückschläge, die ich damals in fast allen Bereichen, sei es Beziehungen, beruflich und auch finanziell erlitt, habe ich allein durch mein Training überwunden. Natürlich auch durch die Gemeinschaft zu Trainingspartnern und Freunden. Ich habe persönliche Grenzen durchbrochen und gelernt, mich den Dingen, die es erfordern, zu stellen. Nach einem Unterricht bei Thomas oder einem Lehrgang mit Master Bill hatte ich Selbstvertrauen und Motivation im Übermaß gefunden.
Ich verschlang alles, was es über das EWTO-Escrima zu lesen gab. Es gab schließlich auch neue Vorbilder und „Helden“: z.B. Sascha Böhringer, Falk Welker, Michael Welge, die beiden Meister des Escrima Bernd Hoyer und Thomas Dietrich, meinen Lehrer Thomas Theren und allen voran Großmeister Bill Newman. Ich wollte auch so gut werden und den Vorbildern folgen. Ich gab zusammen mit meinem guten Freund und fortgeschrittensten Schüler Markus Christiansen Vorführungen auf Turnieren anderer Kampfkunstarten. Ich entschloss mich, als sich die Möglichkeit bot, für die WingTsun-Welt Artikel zu schreiben. Das Interview und allgemein die Möglichkeit über das EWTO-Escrima zu schreiben, veränderte mein Leben. Ich habe konkrete Ziele vor Augen, die ich unablässig verfolge. Ich fand das, was ich gesucht hatte. Die Quelle meiner Kraft, ist das Selbstvertrauen, das sich durch mein Escrima entwickelte. Ich kann meinen Dank an die Escrimadores nicht ausdrücken!
Täglich denke ich darüber nach, wie ich die Prinzipien im Alltag anwende, wie man wohl besser trainieren, härter und genauer Schlagen und wie ich an meinen Schwächen arbeiten kann. Ich erlebe dabei Faszination jeden Tag!

Eindrückliches Erlebnis
Ein beeindruckendes Erlebnis hatte ich mit Master Bill auf einem Lehrgang in Neuss im vergangenen Jahr. Er erklärte, dass es zwei Arten zu leben gibt. Die erste ist von außen nach innen. Master Bill: „Wenn du von außen nach innen lebst, strömt alles auf dich ein. Jeder will etwas von dir, du sollst ständig etwas machen. Probleme häufen sich und dein Lebensraum wird kleiner und kleiner. Wie eine Welle bricht alles über dich herein. Das geht soweit, bis du keinen Raum mehr für Entwicklung hast.“ Er kam auf mich zu und legte seine Hand auf meine Schulter. Er schaute mir direkt in die Augen und sagte: „Oder du lebst von innen nach außen. Du machst dir ein Plan, legst Ziele fest. Alles, was du dann machst, kommt dann von innen und wird lediglich im Außen sichtbar.“
Dieses Erlebnis werde ich mein Lebtag nicht vergessen. Einen starken Eindruck hat auch Meister Bernd Hoyer hinterlassen. Nicht durch Bekehren, sondern durch seine Art hat er mir eine Seite des EWTO-Escrima gezeigt, die ich mit nichts in meinem bisherigen Kampfkunstleben vergleichen kann. Meinen aufrichtigsten Dank dafür! All diese Erfahrungen, Wissen, Begeisterung und ehrliche Arbeit versuche ich an Schüler, Trainingspartner weiterzugeben. In den entscheidenden Momenten, für die entscheidenden Fragen war Escrima meine „Verstärkung“, mein Schild und Schwert.

Text: Jens Nördershäuser